1327 - Das Geheimnis der Wissenden
zu sterben?
Die Angst verflüchtigte sich. Das dauerte seine Zeit, denn die Angst vor dem Tod läßt sich nicht so leicht besiegen. Aber allmählich verloren sie ihre Furcht.
Aus dem Gedanken an eine zunächst noch furchteinflößende Möglichkeit wurde eine Gewißheit, die alle achtzehn Wissenden miteinander teilten.
Die Galaktiker werden kommen, um unser Geheimnis zu rauben. Dann werden wir sterben.
Keine von den achtzehn fragte sich, was dann aus dem Geheimnis der Wissenden wurde. Es bereitete ihnen keinerlei Kopfzerbrechen, daß es dem Volk der Kartanin herzlich wenig nutzen würde, wenn die Wissenden ihr Geheimnis mit sich in den Tod nahmen.
Ihr Tod war einfach notwendig. Es reichte, sich dieser Tatsache bewußt zu sein. Alles andere war nebensächlich.
Und dann kamen die Galaktiker, und die Flucht der ARDUSTAAR begann.
Zu Beginn dieser Flucht gab es ein Ereignis, das Vai-Sinh-H'ay für kurze Zeit irritierte.
Dao-Lin-H'ay kam an Bord der ARDUSTAAR.
Der Anblick ihrer Lieblingsschülerin durchbrach die Nebel, die sich um Vai-Sinhs Gedanken gelegt hatten. Sie verließ den Kreis der Wissenden, erschüttert und erfreut zugleich.
„Ich habe dich lange nicht gesehen", sagte sie zu Dao-Lin. „Ich hatte sogar schon alle Hoffnung aufgegeben, daß ich dich noch einmal treffen könnte. Was tust du hier?"
Dao-Lin-H'ay starrte ihre Lehrerin an, und sie wirkte sehr erschrocken. Aber Vai-Sinh konnte die Gedanken und Gefühle ihrer Schülerin nicht erfassen. Fast war es, als wäre Dao-Lin parataub geworden. Aber daran glaubte Vai-Sinh nicht einen Augenblick lang.
Dao-Lin war eine ganz ausgezeichnete Esperin gewesen. Vai-Sinh hatte sich niemals etwas vorgemacht: In dieser - und auch in anderer Beziehung wurde sie von ihrer Schülerin weit übertroffen.
„Ich bin eine der Wissenden", sagte Dao-Lin schließlich. „Ich werde euch begleiten."
„Nein!" stieß Vai-Sinh bestürzt hervor. „Das darfst du nicht tun. Du bist noch zu jung, um zu sterben."
„Ich werde nicht sterben", versicherte Dao-Lin, und ihr Gesicht wirkte verschlossen.
„Niemand wird sterben!"
Vai-Sinh wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Für einen Augenblick wünschte sie sich, daß Dao-Lin auch diesmal recht behielte.
Konnten sie nicht bei ihrer Flucht erfolgreich sein? Wer wollte das vorhersagen? In der Unendlichkeit des Raumes gab es viele Verstecke. Die ARDUSTAAR war ein gutes, schnelles Schiff. Und abgesehen davon: Achtzehn erfahrene Esper, denen fast unbegrenzte Mengen von Paratau zur Verfügung standen, sollten doch wohl imstande sein, diese Galaktiker in ihre Schranken zu weisen!
Schließlich fiel ihr noch ein Punkt auf, der nicht ins Bild zu passen schien.
„Es gibt achtzehn Wissende", sagte sie. „Ihre Zahl war nie größer, und sie wird auch nie geringer werden. Wir sind achtzehn. Du kannst nicht zu uns gehören, solange keine von uns stirbt. Und mir will es scheinen, daß die anderen noch recht lebendig sind!"
„Vielleicht trügt dieser Schein", erwiderte Dao-Lin-H'ay ausdruckslos. „Der Ruf ist an mich ergangen, und ich bin hier. Ich gehöre dazu. Bist du nicht stolz darauf, daß deine Schülerin es bis zum Rang einer Wissenden gebracht hat?"
Das mentale Wispern erfüllte das gesamte Schiff. Die Tränen der N'jala schmolzen in den Händen der Wissenden und gaben ihnen Kraft. Die ARDUSTAAR raste vor dem Schiff der Galaktiker her, den Sternen von Ardustaar entgegen.
Wir müssen fliehen!
Dieser Gedanke beherrschte das ganze Schiff und auch Vai-Sinh-H'ay.
Kehre zurück in den Kreis!
Sie war eine Wissende, und sie mußte ihre Pflicht erfüllen. Das hatte sie geschworen.
Was sie alle befürchtet hatten, war eingetreten: Die Galaktiker waren gekommen, um das Geheimnis an sich zu reißen. Das Schicksal der Wissenden würde sich erfüllen.
Hatte sie ein Recht, ausgerechnet jetzt abseits zu stehen?
Sie gehörte in den Kreis der anderen. Dort - nur dort - war ihr Platz. Die Tränen N'jalas warteten auf sie.
Sie wandte sich zögernd ab, und als Dao-Lin-H'ay aus ihrem Gesichtskreis verschwand, begann Vai-Sinh, ihre Schülerin zu vergessen.
Sie reihte sich ein, nahm ihre Arbeit auf, verbrauchte Paratau ohne einen Gedanken an die Gefahren, vor denen man sie einst gewarnt hatte.
7.
„Es darf nicht sein!" sagte Dao-Lin-H'ay, als sie endlich in einer Kabine Ruhe gefunden hatte.
Es muß sein, sagte die Stimme von Ardustaar.
„Nein. Es ist nicht notwendig. Wir können fliehen und den Galaktikern etwas
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