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1327 - Das Geheimnis der Wissenden

Titel: 1327 - Das Geheimnis der Wissenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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auch sie nur Teil dieses Traums. Das durfte sie nie vergessen.
    „Nein!" sagte sie heftig. „Ich gehe nicht! Ich weiß nicht, wohin ich komme, wenn ich innerhalb dieses Traumes das Haus verlasse, aber ich weiß, daß ich den Rückweg nie wiederfinden werde."
    Der Kartanin betrachtete sie aufmerksam. Dann kam er näher. Er zog ein kleines, flaches Kästchen aus einer Tasche seine weißen Uniform und hielt es ihr hin.
    Mit plötzlicher Klarheit erkannte sie, daß das erste Kästchen aus genau derselben Quelle stammte. Dieser Kartanin hatte sich hier eingeschlichen und ihr im Schlaf die Tränen N'jalas aufgedrängt.
    Sie schlug ihm das Kästchen aus der Hand. Es fiel auf die Decke, öffnete sich und gab mehrere Tropfen Paratau frei. Vai-Sinh-H'ay machte eine hastige Bewegung, aber sie erreichte das Gegenteil dessen, Was Sie beabsichtigt hatte: Anstatt von ihr wegzurollen, kullerten die Tränen N'jalas direkt auf sie zu. Eine stieß gegen ihre Hand. Sie wollte der Berührung ausweichen, aber der Kartanin beugte sich plötzlich zu ihr herab und hielt sie fest.
    Sie wehrte sich erbittert, erreichte damit aber lediglich, daß auch die restlichen Tränen ihr Ziel fanden.
    Ich werde diesen Traum nie wieder verlassen können, dachte sie entsetzt, als die Tränen sich aufzulösen begannen.
    Es ist kein Traum!
    Die Stimme war jetzt sehr laut, sehr hart. Sie schnitt wie mit Messern durch Vai-Sinhs Gehirn.
    Folge ihm! befahl die Stimme. Niemand weigert sich, dem Ruf zu gehorchen. Es ist eine große Ehre, die dir zuteil wird, denn du wirst zu den Wissenden gehören!
    Aber ich kann nicht einfach fortgehen. Meine Schülerinnen werden nach mir suchen. Ich. muß mit ihnen sprechen, ihnen erklären...
    Es gibt nichts zu erklären. Die Hohen Frauen werden das erledigen. Du wirst abberufen, um eine wichtige Mission zu erfüllen. Niemand wird Fragen stellen.
    Wer bist du?
    Die Stimme der Wissenden. Wir sind achtzehn Kartanin, und achtzehn müssen es bleiben. Aber eine von uns stirbt. Du mußt ihren Platz einnehmen. Du bist die einzige, die das tun kann. Beeile dich. Die Zeit wird knapp!
    Die Stimme verstummte. Der Kartanin hatte Vai-Sinh-H'ay losgelassen und war einen Schritt zurückgetreten. Sie war sich seiner Gegenwart kaum bewußt. Sie starrte auf ihre Hände. Der Paratau war verschwunden.
    Ein Traum?
    Sie war sich dessen nicht mehr so sicher. Sie fühlte sich nicht wie in einem Traum.
    Natürlich lag genau da die Gefahr, und das hatte man ihr auch erklärt. Aber wenn dies ein Traum war...
    Die Wissenden.
    Wer waren die Wissenden, und warum bezeichneten sie sich so? Was wußten sie? Wo hielten sie sich auf, und warum hatte sie nie zuvor etwas von ihnen gehört?
    Eine Ehre sollte ihr zuteil werden?
    Vielleicht - vielleicht aber auch nicht. Vielleicht war dies der Beginn unheilbaren Wahnsinns.
    Andererseits - sie erinnerte sich an Fragen, die sie gestellt hatte, als sie noch jung war.
    Fragen, auf die sie niemals eine Antwort erhalten hatte, wenn man einmal von der Ermahnung absah, gewisse Geheimnisse ruhen zu lassen.
    Kannten die Wissenden die Antwort?
    Vai-Sinh-H'ay hatte nicht die Angewohnheit, sich etwas vorzumachen. Sie war nicht religiös, und sie glaubte nicht an ein Leben nach dem Tod, in dem sich alle Rätsel lösen sollten. Wenn es Wahrheiten gab, die sie nicht kannte, dann wollte sie sie jetzt erfahren, bevor es zu spät war. Ihr blieb nicht mehr allzu viel Zeit. Die größte Strecke ihres Lebens hatte sie hinter sich. Der Weg, der noch vor ihr lag, mußte zwangsweise kurz sein. Viel zu kurz, um noch all die Antworten auf ihm zu finden. Es sei denn, sie fand jemanden, der ihr half. Jemanden, der die Antworten kannte.
    Vielleicht waren es die Wissenden.
    Und wenn die Wissenden gar nicht existierten? Wenn sie auch nur Teil eines verrückten Traumes waren?
    Vai-Sinh-H'ay kam zu dem Schluß, daß sie es zumindest versuchen mußte. Das Unglück war geschehen und ließ sich nicht mehr rückgängig machen: Sie hatte Paratau benutzt. Es hatte auch seine angenehmen Seiten, das ließ sich nicht leugnen. Sie fühlte sich gestärkt. Die Schmerzen waren verschwunden. Es war viel leichter, sich zu bewegen.
    Sie fühlte sich beinahe beschwingt.
    „Du brauchst nichts mitzunehmen", sagte der Kartanin. „Es ist für alles gesorgt."
    Sie sah zu ihm auf, und plötzlich wußte sie, warum sie seine Gedanken und Gefühle nicht erfassen konnte: Er war parataub. Sie fand es einleuchtend, daß die Wissenden ausgerechnet einen Paratauben schickten,

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