1328 - Die Harmonie des Todes
Siin wollte zunächst seinen Hörorganen nicht trauen, doch er begriff, daß der Querione sorgfältig durchdachte Einzelheiten preisgab.
Der Plan setzte auf die Mithilfe aller Netzgänger in Siom Som, ganz besonders aber auf die einer bestimmten Person: Und diese Person war er, Salaam Siin. Zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt sollte er mit der Nambicu ara wada den Wettstreit der Sänger gewinnen und beim Spiel des Lebens den Ton angeben. Wenn eine günstige Gelegenheit gekommen war, mußte er bereit sein. Dies war eine unabänderliche Voraussetzung des Plans.
Und er mußte noch mehr tun. Die Querionen hatten mit Hilfe ihrer Syntroniken errechnet, daß der Gesang des Todes, der Nambaq siwa, unerhörte Möglichkeiten barg.
Ihm lag eine besondere psionische Chromatik zugrunde. Diese würde sich, so die Querionen, auf unverfängliche Weise auch anderen Gesängen unterlegen lassen; Salaam Siin könne die Chromatik sogar zum Markenzeichen seiner Singschule machen. Also müsse er „nur" die HARMONIE aufsuchen und das Potential des Nambaq siwa systematisch erforschen ...
Salaam Siin erklärte sich bereit, alles zu versuchen. Sein Ansprechpartner in den nächsten Tagen war ein terranischer Netzgänger namens Jen Salik. Der andere beeindruckte ihn zwar tief, war aber außerstande, ihm nützliche Details über terranische Musik zu beschreiben. Eine Woche später kehrte Salaam Siin nach Mardakaan zurück, wo man ihn bereits vermißt hatte, und widmete einen Großteil seiner freien Zeit den Variationen des Nambaq siwa. Die Anlagen der HARMONIE erwiesen sich einmal mehr als ungemein nützlich. So fand Salaam Siin als vielleicht erster Ophaler heraus, daß psionischer Druck nicht allein auf Lebewesen wirkte, sondern auch auf Dinge.
Er arbeitete fast zwei Standardjahre lang. Mehrmals ließ er die Psi-Projektoren seines Netzgängerschiffs auf Sabhal veränderten Anforderungen anpassen - dann war es soweit.
Der neue Gesang funktionierte! Wer nicht wußte, worauf es ankam, hätte lediglich eine sonderbare Nuance darin gesehen, keinesfalls aber eine Bedrohung oder wirksame Waffe. Überall auf Mardakaan oder im ophalischen Sternenreich war die Singart ungefährlich. Am rechten Ort jedoch ... - Salaam Siin schauderte unwillkürlich.
Nun kam es darauf an, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Aber darüber konnte er nicht entscheiden. Seine Aufgabe bestand lediglich darin, bis zum Stichtag bereit zu sein. Den Wettstreit der Sänger würde er im Ernstfall gewinnen, dessen war Salaam Siin sicher; doch er sollte noch feststellen, daß gerade an diesem Punkt eine riesengroße Gefahr lauerte.
6. Sänger und Intrigen
Fünf Standardjahre später erreichte ihn das Signal. Vermutlich war er der einzige Ophaler auf Mardakaan, der die Ereignisse zu deuten wußte und dem klar war, daß hier eine Bedrohung für den gesamten Kriegerkult erwuchs.
Es begann mit einer Videosondersendung, die über ganz Siom Som und einen Teil der elf übrigen Galaxien ESTARTUS verbreitet wurde. Er saß gemeinsam mit seinen besten Schülern vor der größten Bildschirmwand in den derzeitigen Gebäuden der Nambicu ara wada. Inzwischen nahm die Nambicu ara wada von allen Singschulen Mardakaans den meisten Raum ein - eine Folge der Tatsache, daß sie in den letzten Spielen des Lebens stets den Ton angegeben hatte.
„Paßt auf!" sang Salaam Siin. „Jetzt kommt der Teil, der uns angeht..."
Sie erfuhren, daß die ehemaligen Vironauten Roi Danton und Ronald Tekener wegen ihres eigenständigen Entkommens aus den Orphischen Labyrinthen von Trovenoor zu „Freien von Siom Som" ernannt worden waren. Dies bedeutete eine große Auszeichnung für die beiden Terraner - und womöglich eine unerhörte Machtposition.
„Was hat das mit uns zu tun?" fragte einer der Schüler.
„Paß auf, dann wirst du es sehen!"
Mit angehaltenem Atem verfolgten die Ophaler die Worte des Nachrichtensprechers, der einem wenig bekannten Volk angehörte. Sie erfuhren, daß Tekener und Danton als Zeichen ihrer Ergebenheit das nächste Spiel des Lebens ausrichten würden. Es sollte das prächtigste Ereignis dieser Art werden, das jemals stattgefunden hatte. Dann allerdings folgte eine Ankündigung, die nicht einmal Salaam Siin unberührt ließ: „Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren haben, wird das Lebensspiel diesmal nicht, wie sonst üblich, auf Mardakaan stattfinden ..." Der Sprecher legte eine bedeutungsvolle Pause ein, „sondern im Siom-System! Die Auslagerung ist eine
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