1328 - Die Harmonie des Todes
Sänger mit den Verhältnissen in ihrer Singschule unzufrieden waren.
Seine Zugänge bestanden in erster Linie aus ehemaligen Kolonialophalern - aus Filigrantechnikern, die zumindest ansatzweise künstlerisch orientiert waren. Ihre Leistung erwuchs aus der Präzision, nicht aus psionischer Brachialgewalt.
Nachdem die Nambicu ara wada ein Standardjahr bestanden hatte, lief die anfängliche „Schonfrist" ab. Ein neues Spiel des Lebens begann, und alle größeren Singschulen bewarben sich um die führende Position. Salaam Siin konnte inzwischen auf fast tausend geschulte Sänger zurückgreifen. Sie alle waren imstande, unter seiner Führung Chorgesänge zu intonieren - eine Leistung, woran jedes Mitglied der Nambicu ara wada seinen Anteil hatte.
Natürlich nahmen auch sämtliche kleinen Singschulen an der Vorausscheidung teil.
Manchmal betrug ihre Mitgliederzahl nicht mehr als ein paar Dutzend, aber neben der Quantität zählte ja auch die Qualität. Salaam Siin überstand mit seinen Sängern jede Herausforderung. Als letzter Gegner erwartete sie in der Endausscheidung, im Großen Finale, Kaleng Proos Belku namtal, in der Salaam Siin selbst einmal gesungen hatte.
Salaam Siin suchte noch am Abend vor der Auseinandersetzung die HARMONIE auf. Er entwickelte eine sängerische Nuance, die direkt auf den Stil der Belku namtal abgestimmt war und seiner Schule eine reelle Chance verschaffen sollte.
Natürlich waren sie Außenseiter. Wie jede der zehn führenden Schulen verfügte Kaleng Proo über ungefähr fünftausend Sänger - Salaam Siin hatte deren nicht einmal tausend.
Aber es kam ja darauf an, die beste Schule zu ermitteln, nicht die größte, wie es Außenstehenden manchmal scheinen mochte. Die Chancenlosigkeit der kleineren Schulen resultierte daraus, daß ihre übermächtigen Konkurrenten grundsätzlich die besten Talente für sich vereinnahmten.
Salaam Siin fielen die Worte ein, die der verstorbene Singlehrer der Belku namtal zu ihm gesprochen hatte: „Ophaler aus dem gesamten ophalischen Reich folgen dem Ruf der Belku namtal. Im Gegenzug sind sie es, die den Ruf der Schule erhalten helfen." Ja ...
Man mußte schon ein begnadeter Sänger wie Salaam Siin sein, um diesen Teufelskreis durchbrechen und eine kleine Schule ins Konzert der Großen führen zu können.
Am Tag der Entscheidung standen sich die Kontrahenten gegenüber. Kaleng Proo hatte keine Mühe gescheut, Salaam Siins Sänger doch noch auf unfairem Weg an der Teilnahme zu hindern. Erfolg war ihm glücklicherweise nicht beschieden. Beide Schulen traten vollzählig an: auf der einen Seite Salaam Siin und seine Nambicu ara wada, auf der anderen Kaleng Proo und ein ausgewähltes Kontingent der Belku namtal. Der eigentliche Wettkampf vollzog sich im Beisein des Kodexwahrers Graucum, der selbst einer der besten Sänger auf Mardakaan war und über beträchtliche psionische Fähigkeiten verfügte.
Im entscheidenden Augenblick brachte Salaam Siin seinen Trumpf ins Spiel. Er unterlegte ihren Chorgesang mit einem fast unauffälligen, psionischen Summen, das gleichzeitig die eigene Brillanz steigerte und Kaleng Proos Darbietung banal scheinen ließ. Am Ende des zweiten Finaltags wurde die Nambicu ara wada von Graucum sensationell zum Sieger erklärt. Noch Jahre später nannte man Salaam Siins Schachzug ein taktisches Meisterstück. Zum erstenmal in der Geschichte der Ausscheidungswettkämpfe hatte eine kleine Schule das bessere Ende für sich. Salaam Siin und seine besten Schüler würden im kommenden Spiel des Lebens „den Ton angeben"; das hieß, das sämtliche anderen Sänger sich nach ihrer Singweise zu richten hatten.
Kaleng Proo und Salaam Siin trafen nach der Veranstaltung durch Zufall noch einmal zusammen. „Triumphiere nicht zu früh!" sang Kaleng Proo mit zornbebender Stimme. „Es gibt ein nächstes Mal, und dann bin ich es, der dich und deine Schule bloßstellt!"
Salaam Siin antwortete nicht. Er sah nur den blanken Haß im Gesicht des anderen, und er hatte nicht die Absicht, eine Angriffsfläche zu bieten. Statt dessen verschränkte er seine Armpaare zu einer nichtssagenden Geste des Abschieds und ließ Kaleng Proo stehen. Innerlich sah es in ihm ganz anders aus ... Er fühlte noch die Euphorie des Sieges, aber ein Teil von ihm hatte sich zitternd vor Furcht zusammengeduckt und wartete auf Kaleng Proos nächsten Vorstoß.
„Komm nur", summte er wie aus Trotz, „ich werde die rechte Antwort für dich bereithalten."
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In den
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