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1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd

Titel: 1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wahnsinnig schrill, als wäre sie künstlich erschaffen worden.
    Dem kalten Druck der Hände an seinen Wangen konnte er nicht ausweichen. So etwas wie die Klammer des Todes hielt ihn fest.
    Und trotzdem öffnete sich sein Hirn, denn er war in der Lage, über die nahe Vergangenheit nachzudenken.
    Harry erinnerte sich daran, wie er und Marietta losgegangen waren, um das Kleid zu kaufen. Bei einer Schneiderin, die ihm nicht ganz geheuer vorgekommen war.
    Aber die Frau hatte es geschafft, Marietta in ihren Bann zu ziehen, und Marietta war zudem auf das bestimmte Kleid fixiert gewesen, auch wenn man ihr gesagt hatte, dass es nicht mehr neu war und seit langer Zeit existierte.
    Das hatte der Faszination keinen Abbruch getan. Marietta hatte es haben wollen. Nur dieses Kleid, das bereits eine Vergangenheit hinter sich hatte.
    Deutlich erinnerte sich Harry Hilton an die Worte der Frau. »Es gehörte Corinna Moncour, meine Liebe. Kennst du sie? Weißt du, wer sie gewesen ist?«
    Marietta hatte verneint und dann zu hören bekommen, dass sie die Geliebte des Earl of Longford gewesen war. Angeblich hatte der Earl sie heiraten wollen. Das Brautkleid war bereits gekauft gewesen, doch dann war die Geliebte gestorben.
    Was mit dem Brautkleid in der Zwischenzeit geschehen war, hatte die Frau nicht gesagt. Aber Marietta hatte es schon als einen Wink des Schicksals angesehen, dass sie auf Longford Castle heiraten wollte. Da schloss sich der Kreis wieder.
    »Der Bräutigam«, flüsterte die seltsame Erscheinung wieder mit ihrer schrillen Stimme. »Der Bräutigam kehrt dorthin zurück, wo sein Braut starb. Ja, sie ist gestorben, denn sie hat nicht gewusst, dass dieses Kleid nur für mich bestimmt war und für keine andere Frau. Ich habe es tragen sollen, ich war so fröhlich, denn es ist kein normales Kleid. Man hat es in der Hölle genäht, und der Teufel persönlich hat Hand angelegt. Es war so etwas wie ein Lockvogel. Wer es trägt, muss sich entscheiden. Entweder für ihn oder gegen ihn. Ich habe mich für ihn entschieden, und mich konnte auch der Tod nicht davon abbringen, diese Welt für immer zu verlassen. Das hat mein Mörder nicht gewusst, der mich vergiftete, weil ich angeblich den Familienfrieden störte. Der Earl hat nichts gewusst. Er hat es hingenommen und ist bei seiner Frau geblieben. Ich aber existierte weiter, wenn auch auf einer anderen Ebene, und ich wusste, dass ich irgendwann wieder eine Chance bekommen würde. Das Kleid existierte weiter, und es landete bei einer Frau, die es liebte. Bis sie es schließlich verkaufen musste. Deine Braut hat es anziehen sollen. Sie tat es auch. Doch war sie innerlich nicht bereit, sich mit dem Teufel zu engagieren. Sie wollte mit ihm nichts zu tun haben, und deshalb hat sie sterben müssen. Sie unterschätzte die Wirkung des Kleides. Sie zog es an und starb. Sie verging, sie verbrannte von innen, und sie verweste zugleich. Es war ihr Schicksal. Aber ich bin noch da und das Kleid ebenfalls. Der Teufel hat gesagt, dass wir für die Ewigkeit bestimmt sind, und daran glaube ich auch. Es wird andere Frauen geben, die das Brautkleid überstreifen, und der Teufel wird ihnen wieder die berühmte Frage stellen. Bleiben sie bei ihm, ist alles gut. Huldigen sie ihm nicht, wird dieses Kleid sie vernichten. Ebenso wie es deine Braut vernichtet hat…«
    Auch wenn Harry Hilton normal hätte sprechen können, wäre ihm kein Wort über die Lippen gekommen. Er war einfach sprachlos. Es war zu viel auf ihn eingestürmt. Er wollte dieser seltsamen Person ins Gesicht schreien, dass alles nicht wahr war, doch er blieb stumm, weil er kein Wort herausbrachte.
    Sie nahm die Hände wieder von seinem Gesicht weg. Trotzdem schaffte er es nicht, durchzuatmen. Harry hatte das Gefühl, nicht mehr aus Leib und Seele zu bestehen. Eines von beiden war verloren gegangen, und er stand mehr neben sich selbst.
    Ihm war so kalt geworden. Das stellte er jetzt erst fest. Die Kälte hatte seine Hände bereits erreicht, und als er versuchte, seine Finger zu bewegen, klappte es nicht.
    Er senkte den Blick, weil er sich die Hände anschauen wollte. Es traf ihn wie ein Hammerschlag. Er sah seine Finger, aber er sah auch die Verfärbung, die sich bereits von den Nägeln her ausgebreitet hatte und schon die Knöchel erreichte.
    Er spürte den hektischen Schlag in sich. Sein Gesicht veränderte sich. Der pure Schrecken malte sich darin ab. Der Gedanke an Flucht war jetzt beherrschend.
    Er wollte sich drehen und die Füße anheben.

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