1331 - Hochzeitskleid und Leichenhemd
hingestellt und schenkten uns ein.
»Gibt es denn neue Spuren oder einen bestimmten Grund, dass Sie gekommen sind?«
»Die könnten sich hier ergeben«, sagte ich.
»Ich höre.«
»Ist Ihnen am heutigen Nachmittag etwas Besonderes aufgefallen?« Es war die alte Leier, aber manchmal hatte ich Glück mit einer solchen Frage.
Ed rieb über seine Oberlippe hinweg, während er nachdachte und wir tranken. »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Für viele ist normal, was für andere unnormal ist.«
»Und was haben Sie erlebt?«
»Wenig Betrieb, wie ich Ihnen schon sagte. Aber etwas ist schon ungewöhnlich gewesen. Bis vor kurzem saß hier noch ein Gast, dem es verdammt schlecht ging. Es war Harry Hilton, der Bräutigam der Ermordeten. Er kann es nicht überwinden, dass so etwas Schreckliches passiert ist. Ich glaube, er will nicht wahrhaben, dass es seine Braut nicht mehr gibt. Der Junge tut mir echt Leid.«
»Wann ist er gefahren?«, fragte Suko.
Der Wirt schüttelte den Kopf. »Er ist nicht gefahren, sondern gegangen. Ich denke, dass er sich noch auf dem Gelände befindet.«
»Wo könnte er sein?«
»So viel ich weiß, will er hier noch eine Nacht wohnen. Der müsste in seinem Zimmer sein.«
»Finden wir es hier im Gebäude?«
»Nein, in einem anderen Trakt. Dort hätte auch die Hochzeitsfeier stattfinden sollen.«
»Wo ist das?«
Wir bekamen die Wegbeschreibung. Es war kein Problem, den Bau zu finden.
»Hat er denn gesagt, was er dort machen will?«, stellte ich die nächste Frage.
»Nein. Er ist mir ja keine Auskunft schuldig. Wenn meine Braut umgekommen wäre, hätte ich nicht so reagiert. Ich hätte gar nicht die Nerven gehabt, dort zu übernachten. Aber jeder Mensch ist anders.«
»Dann werden wir ihn mal besuchen.«
»Das ist Ihr Problem. Aber ich sage Ihnen gleich, dass Sie ihn nicht mit normalen Maßstäben messen können. Dieser Harry Hilton ist fertig. Er ist am Ende. Er trauert um seine Braut. Ihr Tod muss ihn innerlich zerrissen haben. Zwei Bier hat er bei mir getrunken. Als er nach draußen ging, schwankte er, und das nur von zwei Bier. So etwas passiert nur, wenn ein Mensch innerlich gegen den Strich gekämmt ist.«
»Das können wir uns vorstellen«, murmelte ich. »Mal etwas anderes, Ed. Gab es außerdem noch etwas, das Ihnen aufgefallen ist?«
»Nicht hier in der Schänke.«
»Wo dann?«
»Als ich vorhin kurz vor der Tür war, sah ich einen roten Kleinwagen, der über den Schlosshof fuhr. Wenn mich nicht alles täuscht, wollte die Fahrerin in den hinteren Teil des Geländes.«
»Fahrerin?«, fragte Suko sofort.
»Ja, es war eine Frau.«
»Kannten Sie die Person?«
»Nein, ich habe sie nie gesehen. Zuvor, meine ich. Aber ich konnte, da sie langsam fuhr, so langsam, dass ich damit rechnete, dass sie anhalten würde, einen Blick in den Wagen werfen. Da habe ich mir auch die Frau angeschaut. Sie war mir fremd, aber sie sah schon komisch aus mit ihrem Haarschnitt.«
»Wieso?«
»So einen Pagenkopf. Die Farbe habe ich nicht erkennen können. Sie lag in der Mitte zwischen rötlich und dunkel. Ich dachte bei mir, dass sie schon eine komische Person war.«
»Wohin ist sie gefahren?«
»Wie ich schon sagte, sie fuhr tiefer in das Gelände hinein. Möglicherweise dorthin, wo sich die Zimmer befinden.«
»Danke.«
»Wollen Sie den Weg wissen?«
Wir nickten beide.
Es war kein Problem, den Trakt zu finden, in dem die Hotelgäste untergebracht waren. Wir erfuhren auch, dass dort die Hochzeit hätte stattfinden sollen.
Beide bedankten wir uns bei Ed. Wir zahlten und legten noch ein Trinkgeld hinzu. Beim Verlassen der Gaststätte wandte ich mich an Suko. »Du weißt, wer da gekommen ist?«
»Ich habe so eine Ahnung.«
»Das war Margot Kiddy.«
»Sehr gut. Dann haben wir noch diesen Harry Hilton, den Bräutigam. Nur schade, dass die Braut fehlt.«
»Bist du sicher, dass sie nicht da ist?«
»Nun ja, sie ist tot.«
»Aber es gibt nicht nur eine Braut. Daran solltest du denken.«
Suko sagte nichts. Seinem Gesicht allerdings war abzulesen, an wen er dachte.
An eine gewisse Corinna Moncour, die das Brautkleid des Teufels als Erste getragen hatte…
***
Harry Hilton lag auf dem Boden und konnte sich nicht mehr bewegen. Er war nicht in der Lage, auch nur den kleinen Finger zu rühren. So erinnerte er an eine Leiche, obwohl er noch lebte.
Die Kälte war verschwunden. Sie hatte sich mit der unheimlichen Gestalt im Brautkleid zurückgezogen und ihn seinem Schicksal überlassen, an
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