1335 - Mandragoros Liebeshexe
meine Waffe und ließ die Frau in das dunkle Loch der Mündung schauen.
»Ich hätte gern darauf verzichtet, Liane, aber das hast du dir selbst zuzuschreiben. Du wirst mitkommen und wenn ich dich eigenhändig durch den Wald schleifen muss.«
Wieder blieb sie stumm und auch starr. Sie bewegte dabei nur ihre Augen, bis sie plötzlich lächelte.
»Niemals!«
Ich befand mich in einer verdammt schwierigen Lage. Sollte ich sie angreifen und niederschlagen?
Es war wohl das Beste. Dann würde ich sie durch den tiefen Wald hier schleifen müssen.
»Alles ändert sich, John Sinclair. Alles. Die Welt bleibt nicht die Gleiche, wenn wir es nicht wollen. Uns gehört die Natur, und uns gehört auch der Wald hier, in den man nicht so einfach grausame Wunden hineinschlägt. Dafür muss man büßen.«
»Aber nicht durch den Tod!«, hielt ich ihr entgegen.
»Nach unseren Regeln schon. Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns. Das wirst du merken!«
Woher nahm sie die Sicherheit, verdammt? Liane war nackt, und sie trug keine Waffe am Körper.
Woher also?
Ich hatte mich von meinem eigentlichen Vorsatz ablenken lassen und kam jetzt wieder darauf zu sprechen.
»Dreh dich um!«, lautete mein Befehl.
»Nein, John Sinclair! Aber du hast verloren!«
Was sie damit meinte, erlebte ich noch in der gleichen Sekunde, und ich konnte nichts dagegen tun…
***
Wahrscheinlich hätte ich mehr die Umgebung im Auge behalten sollen, anstatt mich auf die nackte Frau zu konzentrieren. Später ist man immer schlauer, wie so oft im Leben.
Die Gefahr kam aus der Höhe, und ich hatte sie überhaupt nicht bemerkt. Aus dem Geäst eines Baumes fiel die Fessel blitzschnell nach unten. Ebenso schnell umwickelte das Band mein rechtes Handgelenk. Ein Ruck, und mein Arm wurde in die Höhe gerissen.
Hätte ich den Finger am Abzug gehabt, ich hätte vielleicht noch geschossen. So aber passierte nichts, nur mein Arm stand senkrecht.
Die Beretta, die ich festhielt, nutzte mir auch nichts.
Der zweite Angriff erwischte mich ebenfalls völlig unvorbereitet.
Die starke und feuchte Fessel fiel an der linken Seite her nach unten und wickelte sich um mein linkes Handgelenk, wobei der Arm ebenfalls in die Höhe gerissen wurde.
Ich war nicht von normalen Bändern oder Drähten erwischt worden, sondern von Pflanzen, von dünnen, aber verdammt geschmeidigen und reißfesten Lianen, die mich hielten.
Ich stand vor der Nackten mit in die Höhe gerissenen Armen und kam mir so verflucht hilflos vor. Ich schaute auch nicht in die Höhe, ob dort oben im Baum zwei Helfer hockten. Das hatte eine Person wie Liane nicht nötig, denn sie war die Herrin, und sie beherrschte die Natur, die ihr gehorchte.
Das Blatt hatte sich radikal gewendet, und ich kam mir in dieser Haltung gedemütigt vor. Es hatte auch keinen Sinn, die Arme zu bewegen, ich würde die natürlichen Fesseln nicht loswerden, die sich einige Male um meine Handgelenke gewickelt hatten. Dabei hatte ich Liane mit Handfesseln wehrlos machen wollen, um sie durch den Wald zu schleifen. Das war nun für immer vorbei.
Liane schaute mich an. Dabei empfand sie einen großen Triumph.
Das Lächeln konnte sie einfach nicht unterdrücken, sie nickte mir zu und flüsterte einen verdammt wahren Satz.
»Jetzt gehörst du mir, John Sinclair…«
***
Da stand die Wand!
So dicht, so undurchdringlich, dass Gerda Simmons eine Machete gebraucht hätte, um sie zu durchschlagen. Aber diese Waffe besaß sie nicht, und mit Kugeln würde sie sich den Weg nicht freischießen können.
Gerda Simmons wusste nicht, ob sie noch dachte oder ob ihr Gehirn schon abgeschaltet war. In ihrem Blick zumindest war kein Leben mehr zu sehen. Sie stierte gegen die Wand, ohne richtig zu begreifen, doch zugleich schaute sie auch ins Leere.
Es verging schon eine gewisse Zeit, bis wieder Leben in sie hineinkam. Es fing damit an, dass ihr das Blut in den Kopf stieg, und sie spürte, dass sie heiße Wangen bekam. Hinter der Stirn begann es zu tuckern. Plötzlich erwischte sie die Angst wie ein Anfall, der sie taumeln ließ. Dabei stieß sie mit dem Rücken gegen den Türpfosten und war zugleich froh, einen notdürftigen Halt gefunden zu haben.
Die Knie wurden weich. Sie stand zwar noch in der normalen Welt, aber die drehte sich. Da sie die Augen geschlossen hielt, hatte sie das Gefühl, sich mitzudrehen. Es glich schon einem kleinen Wunder, dass sie nicht zusammenbrach.
Irgendwann öffnete sie die Augen wieder und schaute nach vorn.
Da war sie
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