1335 - Mandragoros Liebeshexe
auch keine Antwort, die gepasst hätte. Dann fiel ihr der Name John Sinclair ein. Sie hatte Vertrauen in den Mann gesetzt, aber auch er war abgetaucht. In den Wald gegangen, und sie konnte sich vorstellen, dass es auch ihn erwischt hatte. Gerda glaubte nicht daran, dass sich das Wachstum nur auf diese Insel hier beschränkte. Hier war etwas losgetreten worden, das den gesamten Wald erfasst hatte und auch aus ihm entstanden war.
Wohin?
Diese eine Frage beschäftigte und quälte sie. Es gab leider keinen Ausweg. Sie konnte nicht einfach vom Dach in diesen Dschungel hineinspringen und sich durchschlagen, bis sie das Gebiet verlassen hatte. Das würde die andere Seite nicht zulassen, denn hier mischten Kräfte mit, die den ihren überlegen waren.
Was tun?
Sie hob den Kopf an und blickte zum Nachthimmel, als würde sie dort eine Antwort finden. Das war nicht der Fall.
Sie sah nur den Mond, der dort wie eine gekippte Gondel stand.
Schießen?
Eine Kugel in die Luft jagen. Darauf hoffend, dass der Schuss gehört wurde?
Es war eine Möglichkeit. Aber wer hätte ihn gehört? John Sinclair. Okay, auch wenn dies eintrat, hatte sie noch immer nicht die Gewissheit, dass er ihr auch helfen konnte. Er musste sich auf den Rückweg machen, und es war fraglich, ob er es schaffte, bis an die Hütte zu gelangen. Da war ihm der Weg versperrt.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten. Einfach auf dem Dach sitzen zu bleiben und an diesem Ort auch die Nacht zu verbringen. Sich darauf freuen, wenn es wieder hell wurde. Dann entdeckte sie vielleicht eine Möglichkeit zur Flucht.
Es waren mehr Wunschgedanken, das wusste sie auch. Und ihr kam in den Sinn, dass sie einen großen Fehler begangen hatte, denn das Handy hatte sie zwar mitgenommen, aber sie trug es nicht bei sich. Es lag in der Hütte auf dem Tisch.
Sie hätte sich verfluchen können. Gerda tat es nicht, weil es nun mal nicht zu ändern war.
Wie ein einsamer Wachtposten blieb sie auf dem Dach sitzen. Die Wärme des Tages hatte sich zurückgezogen. Es war kühler geworden, aber es war kein Wind aufgekommen. Dafür spürte sie eine gewisse Feuchtigkeit, die sich von den normalen Rändern des Waldes herandrängte, auch das Dach nicht verschonte und sie frösteln ließ.
Gerda Simmons dachte nicht mehr weiter. Sie hockte auf dem Dach und merkte jetzt, dass sie bestimmte Gefühle überfielen. Sie war froh gewesen, dem wachsenden Wald entkommen zu sein, nun aber holte sie allmählich die Wirklichkeit zurück, und sie erkannte, wie aussichtslos ihre Lage auf dem Dach war.
Es gab keine Möglichkeit zur Flucht. Nichts, aber auch gar nichts war da. Sie kniete auf dem First, sie schaute gegen das Dach aus Pflanzen und Gesträuch.
Die Angst kehrte zurück.
Sie schlich sich in sie hinein. Sie war wie ein böses Gift. Man konnte sie mit einem Angreifer vergleichen, der alles an ihrem Körper übernehmen würde.
Gerda Simmons war sicher, dass sich in ihrer Umgebung etwas verändert hatte, obwohl sie nichts sah. Sie hatte mal etwas von einer unsichtbaren Gefahr gehört, und dieser Begriff kam ihr jetzt wieder in den Sinn.
Sie begann zu zittern. Deutlich wurde ihr bewusst, in welcher Lage sie sich befand, und es kam wie ein Zwang über sie. Noch immer auf dem First kniend, drehte sie sich um. Sie hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden, und das, obwohl kein Mensch zu sehen war, aber Gerda gehörte zu den Menschen, die schon auf ihr Gefühle achteten.
So war sie sich auch jetzt sicher, dass etwas auf sie zukam. Es war nur nicht zu hören.
Die Knie schmerzten ihr mittlerweile durch den Druck, den ihr Gewicht ausübte. Außerdem waren die Pfannen nicht glatt und weich, sondern sehr rau.
Was hatte sich verändert?
Noch einmal schaffte sie in ihrer unbequemen Haltung die Drehung. Alle Seiten um das Haus herum wollte sie unter Kontrolle halten – und hatte Glück.
Es gab da eine Veränderung. Nur konnte sie sich diese nicht erklären. Es hatte nichts direkt mit dem Wald zu tun, und die Veränderung war auch nur in der Höhe zu sehen.
Dort schwebte etwas. Da malte sich etwas ab. Da hatte etwas von dieser wild wuchernden Natur Besitz ergriffen, das sich Gerda nicht erklären konnte.
Sie schaute genauer hin. Hinter ihrer Stirn spürte sie einen leichten Druck, der sich bis zu den Augen hin fortpflanzte, sodass sie mehrmals hinschauen musste, um zu erkennen, was sich dort abmalte.
Sie hatte sich nicht getäuscht!
Ein Gesicht.
Ein gewaltiges, ein riesiges Gesicht,
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