1335 - Mandragoros Liebeshexe
wieder, die verdammte Wand. Aber nicht nur vor ihr, auch wenn sie den Kopf zu den verschiedensten Seiten hindrehte, sah sie die grüne Mauer, die aus Strauchwerk, dornigem Gestrüpp und aus biegsamen Unterholz bestand.
Es gab keinen Ausweg mehr. Zwar hatte sie die Rückseite der Hütte noch nicht gesehen, doch sie glaubte hier an das Gesetz der Serie. Auch dort würde alles zugewachsen sein.
Gefangen!, dachte sie. Ich bin gefangen! Es gibt keinen Ausweg mehr! Das Unwirkliche, das Unglaubliche und auch das Unheimliche ist eingetreten. Ich habe keine Chance mehr. Die Welt hat sich verändert, und das ist einfach grauenhaft.
Es brachte sie auch nicht weiter, wenn sie jetzt nach Erklärungen suchte. Diese Welt steckte voller Rätsel. Das hatte auch John Sinclair indirekt zugegeben, und nun musste sie erleben, dass sie in einem dieser verdammten Rätsel als Mittelpunkt steckte.
John Sinclair!
Als ihr der Name zum zweiten Mal in den Sinn kam, lachte sie scharf auf. Dieser Mann hatte es besser. Er war gerade noch zur rechten Zeit entwischt. Oder hatte er möglicherweise bemerkt, dass sich etwas veränderte, und deshalb die Flucht ergriffen?
Das wollte sie nicht glauben. Auch wenn sie ihn kaum kannte, aber sie wusste die Menschen schon richtig einzuschätzen. Wenn Sinclair dazu in der Lage gewesen wäre, dann hätte er alles versucht, um sie aus dieser Hölle wegzuholen.
Sie musste bleiben, und sie musste ins Haus gehen. Jetzt, wo sich ihr Blick wieder einigermaßen geklärt hatte, sah sie, dass sich vor ihren Füßen etwas tat.
Die Natur wuchs weiter!
Wieder durchfuhr sie der Schreck wie ein Glutstrom. Wenn das an allen Seiten so geschah, dann würde diese Pflanzenwelt bald gegen das Haus drücken, und dabei würde es nicht bleiben, denn das Holz hielt dieser Masse bestimmt nicht stand. Das war auch am Fußboden so passiert.
Gerda Simmons verlor die Starre und zog ihre Füße zurück. Sie sah es nicht als Flucht an, was in ihrem Fall nicht möglich war, es war allein eine Reaktion der Furcht.
Sie wollte nicht mehr sehen, was draußen passierte. Auf der Stelle fuhr sie herum und schaute wieder ins Haus. Wieder erwischte sie der Schreck.
Sie hätte eigentlich damit rechnen müssen. Trotzdem war sie überrascht, dass so etwas geschah. Diese nicht erklärbare Pflanzenwelt wuchs tatsächlich weiter. Und sie vernahm wieder das Knirschen und Brechen des Holzes, denn noch war nicht der gesamte Fußboden in Mitleidenschaft gezogen worden.
Trotzdem suchte sie verzweifelt nach einer Stelle, an der sie ausharren konnte. Es gab nur diesen einen Weg. Sie kam nicht nach draußen. Da gab es nichts, was…
Etwas in ihr veränderte sich. Sie konnte den Grund nicht sagen, aber es gab einen Schnitt. Möglicherweise hing dies mit ihrem Überlebenswillen zusammen, denn ihre Angst war wie weggeblasen. Der Überlebenswille hatte das Kommando übernommen und ihr eine Nachricht durch das Gehirn gejagt.
Noch gab es eine Möglichkeit. Eine einzige. Wenn sie die nicht nutzte, war sie wirklich verloren. Geschichten von Fleisch fressenden Pflanzen schossen ihr durch den Kopf. Darin waren zwar keine Menschen vorgekommen, aber sie erinnerte sich daran, als Kind mal Legenden gelesen zu haben, wo die Pflanzen ganze Gebiete überwuchert und sich von Lebewesen ernährt hatten.
Auch von Menschen…
Dass ihr diese Erinnerungen gerade in diesem Augenblick durch den Kopf schossen, gab ihr nicht eben mehr Kraft. Sie begann zu zittern und hätte am liebsten ihre Not hinausgeschrien.
Sie beherrschte sich!
Nichts tun. Nicht groß nachdenken. Sich im Moment nicht um die Pflanzen kümmern und versuchen, die Idee in die Tat umzusetzen, auch wenn sie am gesamten Körper zitterte.
Der Fluchtweg war das Dach!
Zum Glück war die Hütte nicht besonders hoch gebaut worden, und Gerda gehörte auch nicht unbedingt zu den kleinen Menschen.
Das Dach war fest, das musste es auch sein, um starken Stürmen zu trotzen, die immer wieder mal über das Land jagten. Es war auch mit einer Dachrinne versehen, und die konnte ihr als Stütze dienen.
Der Blick.
Ja, das musste klappen.
Um die Pflanzen kümmerte sie sich nicht. Es war erst mal wichtig, die Dachrinne zu erreichen. Einen weiteren Vorteil sah sie ebenfalls auf ihrer Seite. Die leichten Schrägen schlossen mit der oberen Grenze der Wände plan ab.
Da sich Gerda in der Nähe der Fensterbank aufhielt, nutzte sie die Chance. Sie hob ein Bein an und stellte den Fuß auf die schmale Bank. So hatte sie
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