1335 - Mandragoros Liebeshexe
meinem Kopf weg.
Unter den Augen waren die Wangen etwas eingefallen, als wollten sie die leicht nach vorn gebogene Nase und den breiten Mund besonders hervortreten lassen.
Gesprochen hatte sie seit unserem Zusammentreffen kein einziges Wort. Auch ich hatte das Schweigen nicht unterbrochen und schaute sie nur starr an.
Ewig sollte es auch nicht andauern, und so war ich es, der die Stille unterbrach.
»Du kennst meinen Namen? Du hast mich gerufen?«
»Das habe ich.«
»Warum? Warum suchst du mich? Was willst du von mir?«
»Ich habe dich gespürt. Man kennt dich. Man hat dich hergeschickt, um etwas aufzuklären.«
»Genau. Einen Doppelmord.«
»Das war kein Mord an den beiden. Das war nur die Strafe, die sie verdient haben.«
Nach dieser Aussage stand für mich fest, dass keine andere als sie die Täterin war.
Ich ging nicht darauf ein, sondern wollte wissen, was ihr die Männer getan hatten.
»Sie haben sich schlimm benommen. Sie kamen, um zu töten. Ja, sie wollten die Tiere vernichten. Sie wollten sie jagen. Sie haben sie gejagt, und sie haben dem Wald die Seele genommen, als sie die Bäume rodeten, um eine Lichtung zu schaffen, auf der jetzt das Haus steht, das du kennst. Aber sie begingen einen Fehler, denn sie rechneten nicht damit, dass die Natur auch zurückschlagen kann. Sie verhielten sich so arrogant wie alle anderen Menschen, und genau das ist ihnen zum Verhängnis geworden.« Verächtlich winkte sie ab. »Sie ließen sich so leicht verführen. Als sie mich sahen, vergaßen sie alles. Ich lockte sie mit meinem Körper, und dann mussten sie sterben.«
Das Geständnis bewies mir, dass sie sich auch vor mir nicht fürchtete. Bestimmt war sie sogar sicher, dass ich nichts mehr sagen konnte, wenn das hier vorbei war. Der gleiche Tod, den Luke Simmons und Pat Miller gestorben waren, sollte auch mich ereilen.
Spaßig war das nicht. Aber ich glaubte nicht daran, dass sie allein die Verantwortung trug. Da musste noch eine Kraft im Hintergrund lauern. Direkt erwähnte ich den Namen Mandragoro nicht, ich wollte erst wissen, wie sie hieß.
Auf meine Frage hin gab sie mir bereitwillig eine Antwort. »Ich heiße Liane…«
»Ein seltener Name. Aber er passt.«
»Das weiß ich.«
»Und wo kommst du her?«
»Aus der Natur. Ich liebe sie. Ich bin ein Teil von ihr. Ich bin Gewächs und Mensch. Es kommt immer auf die Situation an, wie ich mich präsentiere.«
»Aha. Jetzt bist du Mensch.«
»Auch.«
»Und du glaubst, dass auch ich ein Feind der Natur bin. Oder etwa nicht?«
»Du gehörst zu den Menschen, John Sinclair.«
»Wie schön. Aber ich würde dich gern fragen, wer dir meinen Namen gesagt hat?«
»Ich weiß ihn.«
Diese Antwort war mir zu wenig. Und so gab ich bekannt, was ich wusste. »Kennst du ihn von Mandragoro?«
Ich erhielt von ihr keine Antwort, die ich verstanden hätte. Aber dass sie mit dem Namen etwas anfangen konnte, merkte ich an ihrer Reaktion. Ihre Haltung versteifte sich unmerklich. Die grünlichen Augen blickten für einen Moment noch heller, und so war mir klar, dass sie ihn kannte.
Ich wusste auch, wie scheu er war und dass er sich sehr gerne zurückhielt. Hier war er noch nicht aufgetaucht, wobei seine Gestalt eigentlich keine feste war. Er konnte sich in verschiedenen Formen und Arten zeigen. Er konnte ebenso zu einem Baum werden wie zu einem Busch oder zu einer gewaltigen Baumwurzel.
»Du hast die beiden Männer getötet, Liane!«
»Das habe ich!«
»Dann bist du eine Mörderin!«
»In deinen Augen.«
»Auch in den Augen des Gesetzes, nach denen wir Menschen uns richten müssen.«
»Ich nicht.«
»Doch, Liane, auch du. Es gibt keine Ausnahme. Und deshalb werde ich dich mitnehmen.«
»Wohin?«
»Du weißt, dass ich Polizist bin. Und so gibt es für Personen wie dich nur einen Platz, von dem auch du die Welt durch die Gitterstäbe betrachten kannst.«
Das hatte ich bewusst gesagt. Ich wollte sie provozieren und hoffte, dass es mir auch gelang.
Ja, es sah so aus, denn sie schüttelte den Kopf und sagte: »Ich werde mich nicht einsperren lassen. So etwas gibt es bei mir nicht. Ich bin ein freies Produkt der Natur, und eine Existenz hinter Gittern gibt es für mich nicht.«
»Tut mir Leid, Liane. Es ist meine Pflicht.«
Sie lächelte. Das gefiel mir nicht. Sie hielt irgendwo noch einen Joker in der Hinterhand. Freiwillig würde sie nicht mitkommen, das stand fest, und so musste ich es auf eine andere Art und Weise versuchen. Mit einer schnellen Bewegung zog ich
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