1335 - Mandragoros Liebeshexe
treiben. Und wenn ein Punkt erreicht ist, wo er nicht anders kann, dann greift er ein.«
»Ja, das weiß ich alles, Liane. Aber hätte er nicht Grund, an anderen Orten der Welt einzugreifen, wo viel mehr Raubbau mit der Natur betrieben wird?«
»Wer sagt dir denn, dass er es nicht tut? Du liest doch Zeitungen. Oft wird über Katastrophen berichtet. Überschwemmungen, Schlammlawinen und so weiter.«
»Aha. Dahinter steckt er also.«
»Nicht direkt, aber er hilft mit.«
Ich nahm es mal hin. Bisher hatte ich Mandragoro nur im Kleinen erlebt. Es war gut vorstellbar, dass er auch in anderen Gebieten und Erdteilen zuschlug.
»Und er hat mir dich überlassen, John Sinclair. So wie es auch bei den anderen beiden Männern der Fall gewesen ist.«
»Dann bitte!«
Sie legte den Kopf schief. Es war noch hell genug, um ihr Lächeln zu erkennen. Außerdem stand sie nah genug bei mir. Und sie stellte auch eine Frage.
»Weißt du inzwischen, wie die beiden Männer ums Leben gekommen sind, Sinclair?«
»Im Prinzip schon, aber nicht genau.«
»Ihr habt gerätselt.«
»Unsere Spezialisten untersuchten seinen Kopf, der von innen zerstört wurde.«
»Das habe ich getan!«, erklärte sie mir voller Stolz.
»Hatte ich mir beinahe gedacht«, gab ich mit leicht kratzender Stimme zurück.
»Und du wirst es erleben. Ich werde mit dir so verfahren, wie ich es zuletzt mit Luke Simmons getan habe.«
Da hatte sie einen Namen erwähnt. Ich hatte bisher nur über mich nachgedacht. Nun aber fiel mir Gerda Simmons wieder ein, die ich in der Hütte zurückgelassen hatte.
Lianes Kichern unterbrach meine Gedanken. Dann sagte sie: »Ich weiß genau, an wen du denkst, Sinclair. Das weiß ich genau, aber glaube mir, auch deine Begleiterin wird nicht verschont werden. Ich habe dafür gesorgt, dass sie bleibt.«
»Die zerstochenen Reifen, wie?«
»Genau die.«
»Sie hat dir nichts getan.«
»Mitgefangen, mitgehangen. Sie ist zum falschen Zeitpunkt gekommen. Du hast sie zwar zur Sicherheit in der Hütte zurückgelassen, aber das wird ihr nicht helfen. Der Wald ist gnadenlos in seiner Rache. Er wird seine Wunde wieder zunähen, und damit verschlingt er alles, was sich in ihr befindet.«
Allmählich begann ich gewisse Dinge zu begreifen. Ich spürte in meinem Magen den verdammten Druck, und es trat auch kalter Schweiß auf meine Stirn.
Eine hundertprozentige Gewissheit hatte ich noch nicht bekommen. Deshalb stellte ich auch die nächste Frage.
»Wird der Wald die Lichtung wieder überwuchern?«
»Nicht nur das, Sinclair. Er wird sie verschlingen. Er verschlingt sie mit Haut und Haaren. Egal, ob es sich dabei um eine Hütte handelt oder um einen Menschen.«
Das hatte ich mir gedacht. Ich wollte auch nicht weiter darüber nachdenken, aber ich konnte nur hoffen, dass Gerda Simmons die Gefahr früh genug bemerkt hatte und geflohen war. Darauf wetten wollte ich aber nicht. Am Nacken spürte ich eine Hitze, die weiter meinen Rücken entlangrann, und Liane freute sich.
Sie bewegte sich schlangengleich auf der Stelle. Sie lächelte mich an und kam dann auf mich zu. Unsere Körper berührten sich. Ich spürte den Druck ihrer Brüste und wenig später das Streicheln der Fingerkuppen durch mein Gesicht.
»So haben es Pat und Luke auch erlebt, Sinclair. Meine Nähe, meine Berührungen. Und sie vergaßen alles um sich herum. Sie dachten nicht mehr an ihre Frauen und an ihre Ehen. In der Hütte gab es für sie nur die nackte Liane.«
»Und den grausamen Tod, wie?«
»Ja, auch den.«
Sie streichelte mich wieder. In einer anderen Situation hätte ich es bestimmt genossen, hier aber befand ich mich in der Defensive und womöglich schon auf dem Weg ins Jenseits.
Was hatte sie vor?
Wie wollte sie mich töten?
Zunächst wies nichts darauf hin, denn sie trat etwas zurück und öffnete ihren Mund. Im nächsten Augenblick spürte ich ihre Lippen auf meinen. Es war so überraschend gekommen, dass ich mich nicht wehren konnte. Es war mir nicht mal gelungen, den Kopf zur Seite zu drehen, und so musste ich den Kuss dieser Waldhexe hinnehmen.
Hart drückte sie ihre Lippen auf meinen Mund. Man konnte den Kuss auch als wild und fordernd bezeichnen, und ich merkte sehr schnell, dass sich ihre Zunge in meinen Mund hineinbohrte. Sie blieb nicht ruhig, sie tanzte, sie erforschte meinen Mund, und sie drückte meine Zunge dabei zurück.
War der Kuss auch hart und fordernd gewesen, so hatte ich ihre Zunge als sehr weich empfunden. Ein anderer Geschmack erfüllte
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