1335 - Mandragoros Liebeshexe
zudem meinen Mund. Irgendwie empfand ich ihn als scharf und auch als etwas bitter, als hätte ich auf ein Kraut gebissen.
Es war dadurch etwas geschehen, das Gedanken durch meinen Kopf jagte. Der bittere Geschmack erinnerte mich daran, dass ich möglicherweise vergiftet werden sollte.
Das konnte es auch nicht sein. Pat Miller und Luke Simmons waren auf eine andere Art und Weise ums Leben gekommen.
Jedenfalls machte Liane weiter. Sie besaß auch Routine. Damit ich nicht durch den Druck ihres Körpers zu weit nach hinten kippte, hielt sie mich mit dem linken Arm umschlungen. Eine Hand lag dabei auf meinem Rücken, und sie küsste mich weiter.
Sie war wie ein Tier, so gierig, und noch immer tanzte die Zunge durch meinen Mund.
Ich hatte in meinem Leben schon einige Frauen geküsst. Auch sehr intensiv, aber so etwas war mir noch nie passiert. Diese Zungenspiele empfand ich schon mehr als ungewöhnlich.
Warum tat sie das?
Dann erreichte mich der schreckliche Gedanke. Ich dachte wieder daran, wie die beiden Männer ums Leben gekommen waren. Die Waffe war durch den Mund gedrungen und hatte den Kopf von innen her zerstört.
Etwa eine Zunge?
Der Gedanke brach ab, weil ich mich wieder auf den bewussten Gegenstand konzentrierte und plötzlich feststellte, dass er sich verändert hatte. Er war dicker geworden, auch härter, sogar spitzer, denn in meinem Gaumen hinterließ er die erste kleine Wunde.
Auch wurde mir die Luft knapp. Ich hörte das satt klingende Stöhnen dieser ungewöhnlichen Frau, die wohl merkte, dass sie sich auf der Siegerstraße befand.
Die Zunge!
Sie war nicht mehr normal. Für mich hatte sie sich verändert und war zu einem Mordinstrument geworden.
Ja, so musste es gewesen sein!
Der Tod hatte sich bereits als unsichtbarer Geselle eingefunden.
Er stand kurz davor, zuzuschlagen, und wenn ich jetzt nichts tat, war ich verloren.
Ich hatte einfach keine Zeit, um Angst zu empfinden. Ich handelte mit dem Gedanken daran, mein Leben zu retten. Zwar hatte sie meine Hände für den Moment unbrauchbar gemacht, aber mir standen noch die Beine zur Verfügung. Ich wusste nicht, warum sich die beiden Männer nicht gewehrt hatten, ich aber tat es.
Das rechte Bein winkelte ich an und riss es hoch. So viel Platz blieb mir zum Glück.
Dann rammte ich es mit aller Kraft nach vorn!
Der Treffer war perfekt. Damit hatte Liane nicht gerechnet. Ich wusste auch nicht, ob sie Schmerzen empfand. Zu hören war jedenfalls nichts, aber das war nicht wichtig.
Der plötzliche Schwung katapultierte sie zurück. Auch ihre Hand löste sich von meinem Körper, sodass ich mich in den Fesseln zur Seite drehte. Danach pendelte ich wieder zurück in die alte Stellung und sah, was mit Liane passiert war.
Der heftige Stoß hatte sie tatsächlich zu Boden geschleudert. Aber sie hatte sich wieder gefangen und lag nicht mehr auf dem Rücken, sondern saß jetzt.
Sie kam mir irgendwie durcheinander vor, da sie den Kopf schüttelte wie jemand, der sich erst noch mit der neuen Situation abfinden musste. Ich hörte keinen Laut aus ihrem Mund dringen, der weit offen stand.
Wieder suchte ich meine Chance, um die Fesseln loszuwerden. Es bot sich vielleicht eine Möglichkeit, wenn ich zur Seite wegrannte und sich die Fesseln so straff spannten, dass sie irgendwann rissen.
Ich tat es nicht, weil ich abgelenkt wurde. Meine Augen weiteten sich. Es geschah wirklich nicht oft, doch was ich da sah, das ließ mich fast an meinem Verstand zweifeln.
Aus dem Mund schob sich die Zunge hervor, die Lianes Kuss so wild unterstützt hatte.
Nur war es keine richtige Zunge mehr.
Nicht weich, nicht beweglich. Aus ihr war eine regelrechte Mordwaffe geworden. Ein weit aus dem Mund hervorragender spitzer Ast, als wäre er der Pfahl, um einen Vampir zu töten…
***
Gerda Simmons saß auf dem Dach, rührte sich nicht und hielt den Atem an. Was sie sah, war ungeheuerlich. Das konnte und wollte sie nicht glauben. So etwas war einfach unfassbar.
Um sie herum und wirklich überall verteilt, schwebte ein mächtiges Gesicht.
Kein richtiges, aber trotzdem eines. Riesengroß, auf den Pflanzen liegend, wie mit einigen Pinselstrichen gezeichnet. Sie sah Augen, sie sah eine Stirn, auch einen Mund, aber wenn sie genauer hinblickte, dann war es kein Gesicht, das den Namen verdiente.
Es malte sich in den Pflanzen, den Stielen, den kleinen Ästen und den Blättern ab. Die neuen Pflanzen um sie herum schienen plötzlich zu einem Gesicht geworden zu sein, und das befand
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