1337 - Krieg der Esper
Ausdruck dieser Gesichter, und der Vergleich mit Schauspielern, die ihre Rolle gegen ihren Willen spielten, kam mir.
Das war es! Diese Leute reagierten nicht natürlich. Sie spielten eine Rolle, die ihnen aufgezwungen wurde. Von einem fremden Willen. Von kartanischen Espern! Aber als mir diese Erkenntnis kam, war es bereits zu spät. Ich hörte Helma sagen: „Da stimmt was nicht, Nikki. Die haben uns ein ganzes Deck vorenthalten und ein anderes doppelt gezeigt. Screen, was wird denn da gespielt...?" Wir erfuhren es gleich darauf. Plötzlich schien sich der Bildschirm aufzublähen wie eine Seifenblase, immer weiter, bis er platzte und die Scherben mit den Fragmenten der vier Gesichter wie die Teile eines Puzzles durch die Kommandozentrale segelten.
Auch die Zentrale selbst blähte sich auf, innerhalb von Sekunden hatte sie sich auf einen Kilometer Durchmesser erweitert. Helma war in solche Ferne entrückt, daß ich sie nur noch als winzigen Punkt sah. „Start!" schrie ich. Das Wort explodierte mit einem lauten Knall. Ich war wie taub. „Esper greifen an!" Die plötzlich einsetzende Schwerkraft drückte mich zu Boden. Etwas berührte mich. Ich nahm alle Kraft zusammen, um den Kopf heben zu können. Über mir stand Poerl. Ihr Gesicht war wie aus Wachs. Zuerst so unnatürlich verhärtet, und dann begann es zu zerfließen. „Kartanische Esper haben Abendrot erobert ... die Mannschaft hypnosuggestiv beeinflußt ..."
Ich nickte. Mir war alles klar. Ich wunderte mich nur darüber, wie Poerl in die Kommandozentrale kam. Sie war nach dem Zwischenfall bei Kabarei auf die Medo-Station gebracht worden. „Ich habe gelauscht und...", begann sie, der Rest ging in einem Geräuschorkan unter. Ich konnte mir auch so zusammenreimen, was Poerl aufgescheucht hatte. Als Paratensorin hatte sie natürlich die Anwesenheit von kartanischen Espern auf Abendrot gespürt. Oder sie hatte deren Parataulager geespert. Wie auch immer, ohne Poerl hätten uns die Kartanin noch länger getäuscht und vermutlich sogar die Führung über die WAGEIO übernommen. „Wie viele?" erkundigte ich mich. „Ein Dutzend oder so", antwortete Poerl. „Sie haben an die zehntausend Paratautropfen. Damit könnten sie den Satelliten mitsamt der WAGEIO vernichten."
„Dao-Lin ist unsere Lebensversicherung!" beharrte ich. „Sie werden sie holen", sagte Poerl. „Ich sehe sie, wie sie aufgescheucht durch den Satelliten eilen ... wurden vorzeitig entdeckt ... sind entschlossen, das Parataulager zur spontanen Deflagration zu bringen ..."
Die Illusion der mehrere Gravos betragenden Schwerkraft wurde mit einemmal aufgehoben. Ich stand auf und folgte Poerl, in deren hohlen Händen die Paratautropfen rasend schnell schmolzen, zum Hauptschaltpult. Dort lag Narktor besinnungslos auf dem Boden. Dan Pilker hing in seinem Kontursessel, die Augen unnatürlich weit geöffnet, das Gesicht verzerrt, von Krämpfen geschüttelt.
Welche schrecklichen Visionen mochten ihm die kartanischen Esper vorgaukeln! Helma schleppte sich auf allen vieren mühsam über den Boden, auf ihren Schultern schien die ganze Last des roten Riesen zu ruhen. „Was ist mit Dao-Lin?" fragte ich. „Ohne Paratau ist sie ungefährlich", antwortete Poerl. „Und ihre Befreier können ihr nicht helfen.
Sie werden von unserem Paratronschirm abgehalten."
„Dann war es ein Schlag ins Leere", frohlockte ich. „Wir geben Abendrot auf und fliehen ..." Mir wurde siedend heiß, als mir die Mannschaft einfiel. Ich konnte die zwei Frauen und Männer nicht auf dem Todessatelliten zurücklassen. „Nikki!" Narktor stemmte sich in die Höhe und wandte sich mir hilfesuchend zu. Ich blickte zu ihm, wandte mich aber sofort ab. Er hatte ein Medusenhaupt, und auch seine Barthaare waren zu lauter kleinen roten Schlangen geworden. „Poerl, kümmere dich um Narktor", trug ich der Paratensorin auf. „Er muß die WAGEIO starten und aus dem Gefahrenbereich fliegen. Ich habe noch etwas zu tun."
Ich muß vier unschuldige Menschen retten! sagte ich zu mir.
Ich erreichte den Antigravschacht, ließ mich auf das Deck mit der Transmitterhalle tragen. Dabei fragte ich mich, wie es den kartanischen Espern möglich war, uns diese unheimlichen Visionen zu zeigen, obwohl der Paratronschirm uns schützte. Poerl selbst hatte versichert, daß sie nicht auf die WAGEIO teleportieren konnten.
Was ging hier vor?
Einer plötzlichen Eingebung folgend, machte ich den Umweg über den Laderaum, in dem Dao-Lin-H'ay untergebracht war. Bevor ich
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