1339 - Der Blutengel
berührte fast das Kinn.
Die Stofffetzen klebten am Körper. Ihm war die Haut abgezogen worden, das wusste ich ja. Jetzt sah ich ihn aus der Nähe und stellte fest, dass der Körper aus Blutklumpen bestand. Oder blutige Muskeln, die dicht zusammengedrückt waren.
Man konnte von einem ekligen Anblick sprechen, aber es war nicht zu ändern, und ich war gespannt, wie er sich mir gegenüber verhielt. Freunde waren wir nicht, da brauchte ich nur an den Kampf vor dem Kloster zu denken.
Noch etwas hatte sich bei mir verändert. Das Gefühl für Zeit war mir verloren gegangen. Da schmolzen Stunden zu Minuten zusammen, da spielten auch Sekunden keine große Rolle mehr, denn alles war irgendwie leerer und gleicher geworden.
Ich ging davon aus, dass der Blutengel nicht unbedingt noch länger im Sarg bleiben wollte. Sein Pferd war verschwunden. Ich stellte mir die Frage, was er hier tat. Alles wies darauf hin, dass er auf eine Person wartete. Nur auf wen?
Auf mich sicherlich nicht. Und eigentlich kam mir dabei nur der Schwarze Tod in den Sinn.
Es gab keinen Grund für mich, ihn anzusprechen. Er war derjenige, der hier lauerte, und er würde mir sicherlich keine Freundschaft entgegenbringen.
Von meinem Erzfeind, dem Schwarzen Tod, hatte ich bisher nichts gesehen. Ich wollte mich nicht darüber wundern, ich fürchtete mich auch nicht vor ihm, denn jetzt schaute ich zu, wie sich der Blutengel bewegte. Er hatte bisher starr in dem Sarg gelegen. Seine Augen waren geöffnet. Sehr weiß im Augenbereich. Innen leicht rosig gefärbt, als wäre hier das Blut mit etwas anderem vermischt worden.
Er stemmte sich hoch. Gleichzeitig bewegte er das Schwert und hob es ebenfalls an. Mit der Spitze zeigte es genau auf mich. Obwohl ich Platz gehabt hätte, wich ich nicht zur Seite. Ich war mir einfach sicher, dass der Blutengel mir nichts anhaben konnte.
Er kletterte aus dem Sarg. Ich hörte die leisen Geräusche, die dabei entstanden.
Um den Sarg herum hatten mal Kerzen gestanden. Die meisten von ihnen waren abgebrannt. Aus dem fahlen Weiß schauten noch die Spitzen der Dochte hervor, und mancher Wachstropfen hatte sich auf dem steinernen Boden ausgebreitet.
Wir standen uns gegenüber. Der Blutengel stützte sich auf seinem Schwert ab. Wieder streifte mich eine Wolke dieses ekelhaften Geruchs. An manchen Stellen sah der Körper feucht und nass aus.
Daran klebten die Stoffreste besonders fest.
Der Blutengel bewegte sein Maul. Ich rechnete damit, dass er mich ansprach, doch ich täuschte mich, denn aus dem Maul drang nur ein tiefes Zischen.
Hoch über uns zeigte die Felswand einen Einschnitt. Dort schaffte sich das Licht freie Bahn. Es breitete sich aus wie ein Schleier, verlor sich aber trotzdem über unseren Köpfen.
Nicht nur den Blutengel spürte ich. Es war auch die Feindschaft zu spüren, die mir entgegenschlug. Man konnte sie auch als großen Hass ansehen.
Ich passte nicht in sein Bild. Für mich war es nur eine Frage der Zeit, bis er mich angreifen würde.
Ich musste mich wehren.
Mein Griff galt der Beretta. Ich erreichte die Waffe zwar, aber es passierte etwas Seltsames. Sie lag nicht so in meiner Hand, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich konnte sie nicht richtig fassen. Sie glitt hindurch oder meine Hand glitt an ihr vorbei.
Zugleich hob der Blutengel seine Waffe. Meine Bewegung schien ihn gestört zu haben. Möglicherweise hatte er sie auch als einen Angriffsversuch auf sich betrachtet, und er musste so reagieren.
Ich kam nicht vom Fleck, als er das Schwert anhob und leicht kantete. Dann stieß er zu, und die Spitze jagte genau meiner Körpermitte entgegen…
***
Suko und Myxin hatten beide das Flimmern um die Gestalt des Geisterjägers herum gesehen. John hatte nur kurz auf dem Knochensessel seinen Platz eingenommen, da war es schon geschehen.
Sein Körper hatte die Form verändert. Durchsichtig wurde er, und auch der Sessel schien sich aufzulösen. Ein schwaches Leuchten umgab ihn, und einen Augenblick später war der Geisterjäger verschwunden, während der Sessel noch an seinem Platz stand.
Suko wusste nicht, ob Myxin überrascht gewesen war. Er jedenfalls war es, aber er stellte keine Fragen, weil er nicht wollte, dass ihn Myxin auslachte.
Dafür berührte er nach einer Weile die Knochen des Sessels und stellte fest, dass sie nicht kalt oder kühl waren. In ihrem Innern floss ein gewisser Wärmestrom. So ging er davon aus, dass der Sessel noch immer auf eine gewisse Art und Weise aktiviert war.
Wenn er
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