1339 - Der Blutengel
Plan brachte mich das jedenfalls nicht ab.
Von der Tür her führte mich mein erster Weg zum Sessel. Ich setzte mich noch nicht hin, sondern strich mit den Händen über das Gebein, das sich nicht kalt anfühlte, sondern mehr handwarm war.
Suko betrachtete mich mit großer Skepsis, was ich wiederum verstehen konnte. Ihm wäre der Sessel fast zum Verhängnis geworden, denn er nahm nicht jeden auf. Justine Cavallo hatte sich schließlich auch aus ihm befreien lassen müssen.
»Willst du es dir nicht noch mal überlegen?«, fragte mich mein Partner.
»Hast du einen besseren Vorschlag?«
»Nein. Allerdings frage ich mich, ob Myxin den gleichen Weg genommen und sich so aus dem Staub gemacht hat?«
»Das glaube ich nicht.«
»Warum ist er dann verschwunden?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Seine Wege und Reaktionen sind oft unergründlich. Ich kann mir sogar vorstellen, dass er herausgefunden hat, wo die Musik spielt. Er war schon in Atlantis involviert, und jetzt lässt er sich den erneuten Kampf nicht entgehen. Vielleicht ist dieser auch endgültig. Dann wären wir zumindest eine Sorge los.«
»Und würde dir das gefallen?«
Ich legte den Kopf zurück und lachte. »Inzwischen bin ich so weit, dass mir jeder Gegner recht ist, der den Schwarzen Tod besiegt. Ich möchte nicht unbedingt diesen Lorbeer ernten, das sage ich dir gleich.«
»Dann tu’s.«
»Sicher.«
Ich hatte sehr locker gesprochen und drehte mich jetzt herum, sodass ich den Sessel vor mir sah. Die Knochen, die mich lockten, auch die besondere Rückenlehne, in deren Mitte sich noch der Schädel des Templers abhob. Dieser Sessel war wirklich ein Unikat, und ich bewunderte ihn insgeheim, weil er in der Lage war, das volle Gewicht eines Menschen aufzunehmen, ohne zusammenzubrechen.
Suko trat zur Seite, um mir den nötigen Platz zu verschaffen.
Dann beobachtete er nur, wie ich beide Hände auf die Knochenlehnen legte und mich langsam niedersinken ließ.
Die Knochen auf der Sitzfläche waren leicht eingedrückt und wiesen die Form einer Schale auf. Der Sitz war mit dem eines Traktors zu vergleichen.
Als ich saß und in die Höhe schaute, fiel mein Blick in Sukos Gesicht. Er hatte sich vor den Sessel gestellt, hielt die Hände zu Fäusten geballt und ließ die Daumen nach oben stehen. Durch die Geste wünschte er mir alles Gute.
Ich lächelte ihm noch mal zu. Dabei wusste ich selbst, wie verkrampft mein Lächeln wirkte.
Ich schloss die Augen!
Diesmal musste ich mich auf diese Art und Weise konzentrieren.
Beim Würfel war es anders gewesen, da hatte ich in ihn hineinschauen müssen, um die hellen Schlieren zu beobachten.
Hier durfte ich mich durch nichts ablenken lassen. Ich musste darauf warten, dass der Knochensessel einen Teil seiner Kraft abgab und sie auf mich übertrug.
Um mich herum breitete sich die Stille aus. Auch Suko sagte nichts mehr. Er reduzierte sogar seinen Atem, damit ich in meiner Konzentration durch nichts gestört wurde.
Es blieb ruhig, und trotzdem entwickelte sich eine gewisse Unruhe. Das lag nicht an mir, sondern am Sessel. In ihm steckte die Kraft, und die machte sich jetzt bemerkbar. Das sehr leichte Vibrieren war überall zu spüren. Ob an den Seiten, an der Lehne oder im Schädel an der Rückenseite. Ich empfand es nicht unbedingt als störend, diese anderen Bewegungen gaben mir irgendwie ein gutes Gefühl. So konnte ich mir vorstellen, sogar beschützt zu werden.
Der Knochensessel bot mir eine gewisse Sicherheit. Ich fühlte mich in ihm geborgen. Zugleich wusste ich auch, dass es dabei nicht bleiben würde. Es war so etwas wie ein Vorspiel.
Wärme löste sich aus dem Gebein.
Keine Hitze, eher die Wärme, die ich auch von meinem Kreuz her kannte. Sie hüllte mich ein. Sie rann vom Kopf herab bis zu den Füßen, und ich merkte, dass sie auch durch die Zehen kribbelte.
Allmählich näherten wir uns dem Ende des Vorspiels, und ich wartete darauf, den richtigen Schub zu bekommen.
Noch mal öffnete ich die Augen.
Suko hatte seinen Platz nicht verlassen. Er stand wie ein Leibwächter vor mir und beobachtete mich.
Auch ich sah ihn, aber nicht mehr lange. Es kam genau der Zeitpunkt, als sich seine Gestalt vor meinen Augen allmählich auflöste.
Sicherlich sah er das Gleiche von mir. Oder bestimmt sah er das, denn die Mächte des Sessels hielten mich umschlungen.
Ich konzentrierte noch mal meine Gedanken, und sie galten diesmal dem Schwarzen Tod…
***
Nichts ging mehr. Zumindest nichts für mich aus eigener
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