134 - Befehle des Bösen
Wirkung endgültig verflüchtigt hatte, doch das störte die Dämonen nicht. Das Gegenteil war der Fall.
Die schaurige Musik, die aus zwanzig Lautsprechern klang, wurde immer disharmonischer und schriller. Für menschliche Ohren wäre sie tödlich gewesen. Sogar die Dämonendiener, die an einiges gewöhnt waren, verschlossen sich die Ohren, während sie servierten.
Für vier oder fünf Dämonen war das Fest bereits zu Ende. Sinnlos betrunken schliefen sie ihren Rausch auf weichen, kuscheligen Decken aus. Gelegentlich schreckte einer hoch, rülpste und stammelte irgend etwas Sinnloses, um sofort weiterzuschlafen.
Wie üblich versuchten die Obrecht-Brüder bei der Gastgeberin Marcha Lexas, einer wenig anmutigen Dämonin, die speziellen Zutaten der Hexensäfte zu erfahren. Und wie üblich band sie ihnen einen Bären auf. Doch die beiden ließen nicht locker, da sie die Besitzer des beliebten Dämonentreffs
Gourmand-Gourmet
waren, und ihren Gästen gern einige neue Getränke angeboten hätten. Toni Obrecht nippte an einer giftgrünen Flüssigkeit und genoß den scharfen Geschmack.
„Eine wahrhaft köstliche Mischung aus Norion und Thridacias", stellte er fest. „Dazu ein Hauch von Schierling, Krötenblut, Eisenhut und Pappelblätter."
„Gut geschmeckt, Brüderchen", sagte Henning Obrecht. „Aber du irrst dich. Da ist kein Eisenhut dabei, sondern schwarzer Nachtschatten!"
„Unsinn", entrüstete sich Toni Obrecht, der sich rühmen durfte, den feinsten Gaumen der Wiener Sippen zu besitzen. „Brüderchen, ich kann sehr wohl zwischen Solanum nigrum und Aconitum napellus unterscheiden."
„Ha, da habe ich dich erwischt. Es heißt nicht Aconitum napellus, denn dies ist das Wolfskraut. Akoniton eteron!"
„Wer von uns beiden hat recht?" wandte sich Toni Obrecht an Marcha Lexas, die auf diesen Trick nicht hereinfiel.
„Da ist kein Eisenhut und kein schwarzer Nachtschatten darin", log sie. „Capillus Veneris habt ihr vergessen."
„Frauenhaar-Farn?" wunderte sich Henning Obrecht.
„Sie will uns wieder einmal verwirren, Bruder", knurrte Toni verärgert.
Schon seit langer Zeit wandten sich die anderen Dämonen von den Obrecht-Brüdern ab, denn ihre spitzfindigen Bemerkungen über die Zusammensetzung der Getränke interessierte sie nicht.
Sie sprachen lieber über ihre Fähigkeiten, berichteten von erfundenen Abenteuern, erzählten den neuesten Tratsch und diskutierten lautstark, über die Führungsqualitäten der diversen Familien in Europa und der ganzen Welt. Sie brüsteten sich mit ihren angeblichen Beziehungen zu ältesten und einflußreichsten Clans, die sie nie persönlich kennengelernt hatten. Einige trauerten noch immer den Zeiten nach, als Asmodi die Geschicke der Schwarzen Familie bestimmt hatte. Über Olivaro und Hekate wurde nur verächtlich gesprochen, und Luguri, der Erzdämon, wurde nicht einmal erwähnt. Alle fürchteten den derzeitigen Führer der Familie und seine brutale Regentschaft, die so gar nicht nach ihrem Geschmack war.
Abrupt wurden die einschmeichelnden Weisen abgedreht. Verwirrung machte sich unter den düsteren Gestalten breit.
Perez Lexas und seine Söhne stapften in den Saal. Sie stießen Vigor vor sich her, dessen Hände auf den Rücken gebunden waren.
„Ruhe!" schrie das Oberhaupt der Wiener Dämonen.
Er mußte seine Aufforderung mehrmals wiederholen, bis es endlich still wurde.
„Seht euch Vigor an", brüllte Lexas. „Diesen dahergelaufenen Schwindler haben wir in unserer Mitte aufgenommen. Wir alle haben ihn in unsere Häuser eingeladen und freundlich aufgenommen, doch er ist nichts anderes als ein gemeiner Roßtäuscher!"
„Dagegen muß ich scharf protestieren!" plusterte sich die zerrupfte Gestalt auf.
Nun schrien alle durcheinander.
„Unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hat er uns in eine Kampfansage getrieben, die sich nun gegen uns alle wenden kann."
„Dieser Schwachkopf hat Rebecca entkommen lassen", sagte Vigor rasch.
„Stimmt das?" fragten gleichzeitig ein Dutzend Dämonen.
„Nein, das ist eine Lüge. Durch Vigors Nachlässigkeit erhielt sie Unterstützung und Hilfe."
„Lüge!" kreischte Vigor.
„Rebecca ist uns entkommen. Sie darf uns nun alle töten."
„Wollt ihr uns nicht endlich sagen, was tatsächlich geschah?" fragte eine der Spandorn-Amazonen, ein gorgonenartiges Weib, deren Haarpracht sich in eine Brut ekelerregender Würmer verwandelt hatte.
Lexas und Vigor berichteten, bis auf geringfügige Abweichungen hielten sie sich an die
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