134 - Die Spinne und die Hexe
»Anschließend brauchen wir auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen.«
»Ich bin dafür, daß du dich um die Geiseln kümmerst, während ich mir Greg Lupus vornehme«, gab ich ebenso leise zurück.
Der Ex-Dämon nickte. »Einverstanden.«
Wo die letzten Schüsse gefallen waren, wußte ich, diese Richtung schlug ich ein, und ich hoffte, in wenigen Augenblicken auf das Eismonster zu stoßen.
***
Mr. Silver öffnete vorsichtig eine Tür nach der anderen. Plötzlich drang das verzweifelte Schluchzen einer Frau an sein Ohr, und er hörte, wie ein Mann gepreßt auf die Weinende einredete.
Der Hüne näherte sich jener Tür, hinter der sich die Geiseln befanden. Diese Befreiungsaktion mußte so lautlos wie nur irgend möglich vonstatten gehen, denn wenn Greg Lupus etwas davon merkte, würde er alles daransetzen, um sie zu vereiteln.
Die Tür war abgeschlossen, aber der Schlüssel steckte. Mr. Silver griff danach. Er warf einen Blick über seine Schulter. Sein Freund war nicht mehr zu sehen.
Der Ex-Dämon hoffte, daß Tony mit Greg Lupus keine Schwierigkeiten haben würde. Er drehte vorsichtig den Schlüssel - einmal, noch einmal…
Hinter der Tür verstummte jegliches Geräusch. Mr. Silver konnte sich vorstellen, daß die Geiseln jetzt Todesängste ausstanden. Ihm tat vor allem die schwangere Frau leid. In ihrem Zustand einer solchen nervlichen Belastung ausgesetzt zu sein, war keine Kleinigkeit.
Der Hüne drückte auf die Klinke. Sie ächzte leise, und Mr. Silver schaute sofort wieder zurück. Er preßte die Lippen zusammen, und seine perlmuttfarbenen Augen verengten sich.
Obwohl ihm seine übernatürlichen Fähigkeiten nicht zur Verfügung standen, fühlte er sich in diesem Moment gut. Nicht einmal die Nachwirkung von Kaybas grausamer Behandlung spürte er.
Es erfüllte ihn mit Freude und Genugtuung, endlich wieder Nützliches tun zu können. Er konnte helfen, das Leben von Menschen retten, Gutes tun.
In diesem Augenblick merkte er, wie sehr ihm das gefehlt hatte. Er war sich unnütz vorgekommen. Ein Mann wie er brauchte immer eine Aufgabe, an der er sich messen konnte, die ihm die Möglichkeit bot, sich selbst zu bestätigen.
Da zu sitzen und die Hände in den Schoß zu legen, war nicht Mr. Silvers Fall. Er blühte im Einsatz regelrecht auf. Es war unerhört wichtig für ihn zu wissen, daß er auch geschwächt noch seinen Mann stellen konnte.
Als er die Tür öffnete, flog ihm ein unglückliches Schluchzen entgegen. Er sah vier verstörte Gesichter - zwei Männer, zwei Frauen. Die Männer umarmten ihre Frauen schützend.
Ihr grimmiger Blick verriet, daß sie zu allem entschlossen waren. Sie schienen sogar bereit zu sein, ihr Leben für die Frauen zu opfern.
»Habt keine Angst!« raunte ihnen Mr. Silver zu. »Ich bin ein Freund!«
Die Geiseln sahen ihn ungläubig an. Mit soviel Glück hatten sie nicht zu rechnen gewagt. Ein Freund! Hilfe! Rettung!
»Ich bringe euch in Sicherheit!« flüsterte Mr. Silver. Er streckte der jungen Frau die Hand entgegen. »Kommen Sie!«
Die Schwangere klammerte sich an ihren Mann. Sie hatte dunkles Haar, das ihr wirr ins bleiche Gesicht hing.
»Nehmen Sie meine Hand!« verlangte Mr. Silver, doch die junge Frau war wde gelähmt. Sie konnte nicht gehorchen.
»Geh, Mary«, sagte ihr Mann. »Nimm dich zusammen. Du hast es gleich überstanden. Du kannst diesem Mann vertrauen.«
Mary löste sich von ihrem Mann, doch kaum hatte sie einen Schritt getan, sackte sie zusammen. Sie wäre zu Boden gestürzt, wenn Mr. Silver nicht so geistesgegenwärtig gehandelt hätte.
Der Ex-Dämon fing sie auf und hob sie hoch, und dann forderte er die anderen auf, ihm zu folgen.
»Dieser schreckliche Kerl«, preßte der alte Bauer heiser hervor. »Er wird nicht zulassen, daß wir das Haus verlassen.«
»Ich bin nicht allein gekommen«, gab Mr. Silver zurück. »Mein Freund kümmert sich in diesem Moment um den Mann. Er kann Ihnen nichts anhaben.«
Die Geiseln drängten sich ängstlich hinter Mr. Silver, der die Schwangere zu einer schmalen Tür trug, die ins Freie führte. Der Ex-Dämon hatte die Absicht, die Befreiten der Obhut der Polizei zu überlassen und gleich wieder in das Haus zurückzukehren, um Tony Ballard zu unterstützen.
***
Ich atmete tief durch. Mein Blick war starr auf die Tür gerichtet, hinter der ich Greg Lupus vermutete. Der Colt Diamondback lag schwer in meiner Hand.
Ich konzentrierte mich auf meinen Auftritt, mit dem ich Lupus überraschen wollte. Nicht die
Weitere Kostenlose Bücher