134 - Die Spinne und die Hexe
für Clips Hamilton. Mit der Platte unterm Arm baute er sich vor der Nachbarwohnung auf und klopfte.
Die Tür öffnete sich, und Clips Hamilton sagte mit einem strahlenden Grinsen: »Hallo, Barbara.«
Barbara Benedict hüstelte hinter der vorgehaltenen Hand.
Hamilton hielt die Platte hoch. »Hier ist das Album, von dem ich dir erzählt habe. Darf ich reinkommen und es dir Vorspielen?«
Sie wollte ihn nicht einlassen, fühlte sich nicht wohl, sah auch krank aus, aber das merkte Hamilton nicht. Er trabte in die Wohnung, als wäre er vom dem Mädchen händeringend darum gebeten worden.
Wo der Plattenspieler stand, wußte er. Er war nicht zum erstenmal in dieser Wohnung. Eine Zeitlang hatte er gehofft, daß mit Barbara und ihm was werden würde, doch diese Hoffnung hatte er inzwischen augegeben.
Es war nichts passiert, obwohl es an Gelegenheiten nicht gefehlt hätte. Irgendwie hatte sie auf sexueller Ebene nicht die gleiche Wellenlänge.
Vielleicht war Clips Hamilton zu intelligent für Barbara - oder zu zerstreut. Vielleicht waren auch ihre Interessen zu verschieden. Wie auch immer, Hamilton hatte sich damit abgefunden, daß Barbara nicht mit ihm schlafen wollte, und er begnügt sich mit der nachbarlichen Freundschaft, die sie ihm zu geben bereit war.
»Ein Kunstgenuß, ein Ohrenschmaus ganz besonderer Art erwartet dich!« prophezeite ihr Clips Hamilton. Er rückte die randlose Brille zurecht und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch das blonde Haar. »Natürlich ist Preston Quayle nicht leicht zu verstehen, deshalb werde ich mich bemühen, ihn dir zu erklären und nahezubringen. Seine Einfälle sind verblüffend, manchmal sogar erschreckend. Seine Musik wird dich quälen, wie sie ihn peinigt. Setz dich. Bitte setz dich und laß dich von Preston Quayle fesseln und auf eine Weise mißhandeln, wie du es bisher mit Sicherheit noch nicht erlebt hast.«
»Du hast einen Dachschaden, Clips«, sagte Barbara heiser. Irgend etwas war mit ihrer Stimme nicht in Ordnung.
Hamilton lachte. »Das weiß ich schon lange. Als mein Vater mich zeugte, muß er irgend etwas falsch gemacht haben, aber nun bin ich da, und die Welt muß sich damit abfinden.«
»Ich bin nicht in Stimmung, Musik zu hören.«
»Du wirst Quayles Stücke nicht hören, sondern fühlen und erleben. Es wird wie… wie eine Seelenwanderung sein. Du wirst von Quayle durch ein Labyrinth des Wahnsinns geführt, aber keine Angst, ich werde deine Hand festhalten und dich sicher zurückbringen.«
Er forderte sie noch einmal auf, Platz zu nehmen, und sie setzte sich widerwillig. Unruhig kratzten ihre Fingernägel über die Sessellehne.
Sie schien unter Strom zu stehen, schien zu spüren, daß etwas passieren konnte, das für Clips Hamilton nicht angenehm war. Er hätte besser daran getan, zu gehen, doch er dachte nicht daran.
»Ich habe mir das Album so oft angehört, daß ich jede Nummer auswendig kann«, behauptete er stolz.
Sie hustete und fuhr sich über das Gesicht.
»Bist du krank?« fragte er, aber es schien ihn nicht wirklich zu interessieren.
»Ich glaube ja.«
»Grippe?«
»Kann sein.«
»Quayles Jazz wird dich kurieren. Du wirst dich gleich besser fühlen.« Die schwarze Scheibe drehte sich, und Clips Hamilton legte den Tonarm auf.
Jedem normal veranlagten Zuhörer hätten sich bei den ersten Mißtönen schon die Haare aufgestellt. Barbara blieb merkwürdig ruhig. Sie ließ schrille Dissonanzen über sich ergehen, als wären sie so beschwingt und melodiös wie ein Walzer von Johann Strauß.
Clips Hamilton setzte sich ebenfalls, und mit verklärtem Blick interpretierte er die verrückte Musik des Jazzers. Er vollzog die irren Gedankengänge des von ihm so sehr geschätzten Künstlers nach.
Barbara hustete.
Hamilton wies mit beiden Zeigefingern auf den Plattenspieler. »Hör dir an, was jetzt kommt. Es ist die perfekte Pervertierung des Jazz.«
Barbara stand auf.
Hamilton dachte, die Musik würde sie aufwühlen. Ihm fiel nicht auf, daß sie nach Luft rang. Sie wankte zum Plattenspieler und schlug unverhofft mit der Faust drauf.
Die Schallplatte brach, und das Geräusch, das dabei entstand, paßte gut zu Preston Quayles entsetzlicher Komposition.
Hamilton federte hoch und starrte entgeistert auf die kaputte Scheibe, die sich nicht mehr drehte. Der Tonarm war verbogen, der Tonkopf abgebrochen.
»Großer Gott, Barbara, was hast du getan?« fragte Clips Hamilton erschüttert. »Weißt du, wie schwierig es war, diese Platte zu bekommen?
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