134 - Geister im Grand Hotel
Maske, die man Ihnen auf die Nase setzt. Und wenn Sie
einatmen ...« Montan unterbrach sich und holte aus seiner Tasche ein
Medikamentenröhrchen. »Nehmen Sie davon gleich zwei und in einer Stunde noch
mal die gleiche Menge. Damit pusten wir die Benommenheit weg, und Sie haben das
Gefühl, Sie könnten wieder Bäume ausreißen .«
Larry warf einen Blick auf das Blechröhrchen,
das noch mit dem Original Fabrikverschluß versiegelt war, bedankte sich bei dem
Arzt für sein schnelles Kommen und wollte wissen, was er für die Behandlung
schuldig wäre.
Dr. Montan wollte keine Bezahlung.
Da drückte X-RAY-3 ihm einen
Fünfzigmarkschein in die Hand. Aber auch den legte Montan auf den Tisch zurück
und verabschiedete sich.
»Meine Arbeit war nicht der Rede wert .« Montan ging zur Tür, und Larry
begleitete ihn. »Die Nachwirkungen sind in einigen Stunden völlig abgeklungen.
Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich aus. Das ist das Beste, was Sie machen
können .«
Er sprach leise, verhalten und ein
akzentfreies, feines Englisch. Er war Deutscher, hatte aber in Edinburgh
studiert, wie er beiläufig erwähnte, als er zur Tür ging.
Als er das Zimmer verließ und sich nach links
wandte, um über die Treppe einen Stock höher zu gehen, kam vom Lift her Gerd
Raumann.
Der Anwalt lief den Gang in Richtung von
Larrys Zimmer, war jedoch so in Gedanken versunken, daß er den auf der
Türschwelle stehenden PSA-Agenten gar nicht wahrnahm.
»Hallo, Mister Raumann !« sprach Larry ihn sogar an.
Der Mann war zwei Schritte an der Tür vorbei,
hätte die Worte ganz deutlich hören müssen, reagierte aber nicht.
Er ging den Korridor weiter und bog dann ab
in den anderen Trakt.
Das war der Weg, den auch Dietmar Einen
gegangen sein mußte, ehe er auf rätselhafte Weise als Leiche auf der
Freiterrasse ankam.
»Komm’ und nimm dein Säftchen ein,
Towarischtsch«, bemerkte der Russe da im Hintergrund.
Iwan hatte zwei Tabletten ordnungsgemäß in
einem Glas aufgelöst und wollte es Larry reichen. »Das ist eine wahre
Kreislauf-Anregungs-Bombe «, verkündete er sonor. »Wodka-Tabletten. .. meine
neueste Kreation.«
Er wollte dem Freund das Glas reichen und merkte
beim Aufblicken, daß Larry Brent nicht mehr an der Tür stand.
Iwan sprang auf und blickte den Gang entlang.
Menschenleer zu beiden Seiten dehnte er sich
aus.
*
Warum kann ich nicht erwachen?
Wie ein Schrei gellte dieser Gedanke durch
ihr Bewußtsein.
Sie merkte, wie ihr die Sinne schwanden,
wußte aber nicht, wie lange sie den Peitschenhieben ausgesetzt war.
Mit einem Mal merkte sie, daß sie nicht mehr
am Pfahl stand. Sie lag auf dem Boden, und die Kälte kroch in ihre Glieder.
Erschöpft und durchfroren erhob sie sich.
Wie durch einen blutigen Nebel nahm sie ihre
unheimliche Umgebung wahr.
Sie befand sich noch in dem Verlies, sah die
Folterwerkzeuge an der Wand und erblickte schwarz wie aus dem Boden wachsend
die eisernen Stäbe ihres Gefängnisses.
An der Wand gegenüber blakte noch die Fackel.
Sie war fast heruntergebrannt.
Angie Roith schluckte trocken. Sie schmeckte
Blut, hatte sich auf die Zunge gebissen.
Verkrustetes Blut sah sie auch auf ihren
Händen. Ihr Kleid war aufgerissen und hing in Fetzen an ihrem Körper.
»Helft mir ... so helft mir doch«, kam es
stockend über ihre Lippen.
Aber da war niemand, der ihr beistand.
Die beiden Henkersknechte waren verschwunden.
Aber auch den Augenwinkeln nahm sie einen
verkrümmt auf dem Boden liegenden Körper wahr.
Die Fremde mit dem langen blonden Haar!
Angie Roth taumelte auf sie zu, ging in die
Hocke und drehte - selbst aufs äußerste geschwächt - die Frau herum, deren
Rücken mit blutigen Striemen übersät war.
Die Fremde atmete flach und unregelmäßig, ihr
Puls jagte.
Aber - sie lebte ...
Ihre Stirn war mit kaltem Schweiß bedeckt.
Sie stöhnte.
»Wer bist du ?« fragte Angie Roith weich. Sie strich das schweiß- und blutverklebte Haar aus
der Stirn der Unglücklichen. »Warum geschieht... das alles hier? Was weißt du
darüber ?«
Die Unbekannte mit den blauen Augen, den
hochstehenden Wangenknochen und den geschwungenen Lippen öffnete den Mund.
»Der Fluch ... er nimmt kein Ende ... unsere
Seelen finden ... keine Ruhe ... einer quält den anderen ... die Hölle auf
Ewigkeiten .«
Die Sprache war deutsch und altmodisch. Angie
Roith, in Spezialkursen auf die Sprache des Landes getrimmt, in dem sie
arbeitete, hatte einige Mühe, das Gestotter zu verstehen.
»Nenn’ mir deinen
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