134 - Geister im Grand Hotel
in
dieser grauenvollen, ungeheuerlichen Situation, in der sie sich befand, erlosch
ihr Interesse nicht.
Im Gegenteil! Auf eine beinahe unerklärliche
Weise wurde es angestachelt. Gerade so - als halte sie den Schlüssel zu des
Rätsels Lösung in der Hand ...
Die Burg wird wiederkommen! Dieser Satz ließ
sie nicht mehr los und hallte wie ein Echo durch ihr Gehirn.
Ihr war schwindelig, und sie meinte, vor
einem entsetzlichen Abgrund zu stehen, der sie magisch in die Tiefe zog.
Sie war nicht mehr Herrin ihrer Sinne, alles
schwamm in ihr hinweg, und etwas Fremdes schien schleichend von ihr Besitz zu
ergreifen.
»Die Lösung !« hörte
sie sich rufen, und ihr schien, als spräche jemand anders aus ihr, etwas
Fremdes. »Nenn’ mir die Lösung ...«
»Zu zweit müssen sie sein, das gleiche Blut
in sich tragen ... und in den dritten Turm gehen, wo das ... Kreuz erscheinen
wird, wenn... vier sich die Hände reichen und ... zwei davon ... dem Blut
Roland von Aspergens ... entsprechen ... Ich ...«
Da bäumte die Frau sich auf. Ihr war anzusehen, daß sie noch etwas Wichtiges sagen wollte ...
Sie stieß es ganz schnell hervor und nahm noch mal ihre ganze Kraft zusammen.
Aber es wurde nur ein unverständliches
Gestammel, das sich anhörte wie das Plappern eines Irren.
Die Frau sank zurück und starb vor Entkräftung
in Angie Roiths Armen.
Die Amerikanerin saß sekundenlang
wie leblos da, war unfähig, sich zu rühren,
und hielt sogar den Atem an.
Angie Roith verstand überhaupt nichts mehr.
Sie war einem Geist begegnet... nein, sogar
mehreren! Und der Geist, mit dem sie den engsten Kontakt fand, und der ihr
sogar Rede und Antwort gestanden hatte, war nun - tot.
Konnte ein Spuk - sterben? Oder gehörte auch
dieser teuflische Kreislauf von Leid, Tod und Wiedergeburt in Leid und Tod zu
dem Bann, der von den Betroffenen durchgestanden werden mußte?
Angie Roith richtete sich zitternd auf und
schwankte wie ein Schilfröhr im Wind.
Sie hatte noch immer keine Erklärung dafür,
wie sie in dieses Geisterland gekommen war. Sie war doch nur durchs Grand Hotel gegangen ..
In diesem Gebäude gab es einen Fixpunkt, der
durch die Vorgänge von damals, dem Kampf zwischen den beiden Aspergens,
entstanden war. Eine magische Falle, ein Punkt, in dem die Fäden von
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenliefen und in dessen Schnittpunkt
sich das Zentrum des Bösen befand. Aber auch das Gute lag darin verborgen und
mußte nur entdeckt und an die Oberfläche befördert werden.
Aber wie? Wie? schrie es in ihr.
Sie lief aus dem Verlies und wußte nicht
mehr, ob sie von links oder rechts gekommen war. Der durch schummriges
Fackellicht notdürftig erhellte Gang sah zu beiden Seiten gleich aus und hatte
- bis auf die Fackeln - frappierende Ähnlichkeit mit den Gewölbekellern des
Hotels.
Dies war das Grand Hotel - und es war es doch
nicht! Wie paßte dieser Widerspruch zusammen?
Angie Roith zweifelte nicht mehr daran, daß
sie sich in der Burg von damals befand, im Reich ihres Ahnherrn, dessen
Seitensprung sie ihr Leben letztendlich zu verdanken hatte ... und - ihre
verzweifelte Not, durch die sie nun mußte und aus der niemand sie herausführte.
Die blonde Frau, die in ihren Armen gestorben
war, hätte sicher noch viel mehr zu erzählen gewußt.
Aber es hatte nicht sein sollen
...
Ein Geräusch und gleich darauf ein Schatten,
der hinter ihr hereilte, ließen sie herumfahren.
Angie Roith glaubte, ihren Augen nicht trauen
zu können.
»Nein! Nicht schon wieder ?« entfuhr es ihr schaudernd.
Der Landsknecht mit dem Lederwams, die
Peitsche in der Hand, jagte hinter ihr her.
Aus einem der nahen Verliese, die alle gleich
aussahen, hörte sie wieder das Knallen der Peitsche und die Schreie der
Gefolterten.
Das war die blonde Frau! Sie erkannte sie
sofort an der Stimme.
Angie Roith begann zu laufen.
Wie von Furien gehetzt, rannte sie immer
geradeaus, in der Hoffnung, eine Tür zu entdecken, die aus diesem düsteren
Gewölbe des Grauens führte.
Ihre Schritte hallten gespenstisch durch den
Gang. Das Geräusch ihrer klappernden Absätze wurde nicht weniger gespenstisch
als Echo zurückgeworfen.
Sie hatte sich von den zurückliegenden Strapazen
und der Folter noch nicht wieder erholt und kam deshalb langsamer vom Fleck,
als sie es sich gewünscht hätte.
Jeder Schritt wurde zur Anstrengung. Der Gang
machte einen Knick und dann lag - nur fünf Schritte entfernt - eine schwere,
eisenbeschlagene Bohlentür vor ihr.
Wo
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