1340 - Ephemeriden-Träume
die Helligkeit der Lava ließen es nicht zu, daß er das Bewußtsein verlor. Jemand leuchtete ihm mit einem Scheinwerfer ins Gesicht, und er erkannte Gucky in einem Schutzanzug. Der Mausbiber hing keine drei Meter über ihm in der Luft. Er zeigte seinen Nagezahn. „Was hast du nur angerichtet?" piepste er, und die helle, kindliche Stimme ging dem Cappin durch Mark und Bein. „Die Lava frißt sie alle. Sie begräbt alle fünftausend Stationen unter sich, die es gibt. Damit sind die Netzgänger am Ende. Unsere Organisation hat keine Basis mehr!"
Erst jetzt wurde Testare das schreckliche Ausmaß seines Tuns bewußt. „Töte mich!" verlangte er. „Und wenn du es nicht tust, dann stürze ich mich hinunter in das Verderben!"
„lch werde beides zu verhindern wissen, Testare!"
Der Cappin ließ sich zur Seite fallen. Er stürzte hinab, schlug gegen den Wall und rollte ein Stück, bis er das Loch erreicht hatte. Er sah noch die weißen Augäpfel des Mausbibers und hörte seinen Schreckensschrei bei der Erkenntnis, daß seine telekinetischen Fähigkeiten versagten. Dann berührte er die glühende Lava und versank in ihr. Sein Bewußtsein erlosch übergangslos, und er trieb in der wohligen Wärme, und als er nach schier ewiger Zeit die Augen aufschlug, da fragte eine weiche Stimme: „Hast du gut geruht, Gänger des Netzes?"
Er richtete sich ruckartig auf und starrte den Sprecher an. Es handelte sich um ein Wesen von unförmiger Tonnengestalt, wie es sie nur ein einziges Mal in Estartu gab. „Hallo, Ophaler!" krächzte er. „Hast du mich gerettet? Was macht der Mausbiber?"
„Ich bin gekommen, um dich zum Sieger zu erklären. Du hast die Spiele des Lebens gewonnen, Testare.
Du bist als einziger übriggeblieben. Du darfst dich freuen. Du hast den Kodex besiegt und den Permanenten Konflikt zerstört. Nun wird Estartu zum Paradies für alle seine Bewohner. Die Superintelligenz bittet dich, nach Etustar an ihren Hof zu kommen. Du bist für ehrenvolle Aufgaben vorgesehen. Wenn ich ehrlich sein soll, ich beneide dich ein wenig darum!"
Testare rutschte über den Rand der Liege und erhob sich. Während er geschlafen hatte, hatten sie seine Wunden versorgt und ihm kostbare Gewänder angezogen. Er schritt zum Wandspiegel hinüber und betrachtete sith. Er kam sich geckenhaft vor in all dem Prunk, aber es gehörte wohl dazu. Er rang sich ein wohlgefälliges Lächeln ab und deutete auf die halboffene Tür. „Ich kann es kaum erwarten. Gehen wir!"
Der Ophaler sang ein paar Worte der Bestätigung und ging ihm voran. Die hohe, schwere Tür schlug hinter ihnen zu, und ihr Donner hallte im Bewußtsein des Cappins nach. Er kam sich vor, als hätte jemand ihm mit einer großen Pfanne gegen den Schädel geschlagen.
Der Druck, der in seinem Kopf entstand, wich überraschend schnell. Es war, als würden mindestens vier gauf einmal von seinem Körper genommen, und Testare riß die Augen auf. Seine Gedanken wurden klar, und er sah die blinkenden Anlagen der Station vor sich. Seine Hände, bisher in die Sessellehnen verkrampft, lösten sich, und er legte den Kopf zur Seite. Er wartete auf den nächsten Angriff, aber er kam nicht. L^ngsam richtete er sich auf und sah an sich hinab. Seine Oberschenkel waren von kleinen, glänzenden Perlen bedeckt. Sie tropften von seiner Stirn und seinen Wangen, und er wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel seiner Kombination fort. „Bist du in Ordnung?" erkundigte sich die Station. „Möchtest du dich frisch machen?"
„Danke", sagte er knapp. „Ich muß mich beeilen."
Er kehrte in die Nebenzentrale zurück und fädelte sich in das Psionische Netz ein, das dort mit mehreren Strängen mündete und eben einen Knotenpunkt besaß. Sein Projektionskörper erlosch, und das Bewußtsein Testares tauchte in die Netzlinien ein und machte sich auf die Suche. „Wo bist du?" fragten seine Gedanken. „Melde dich!"
Zunächst blieb alles ruhig, aber dann meldete sich eine schwache Stimme. „Ich höre dich. Hast du mich gerettet?"
„Ja. Ich bin Testare. Und wie nennst du dich, Gänger des Netzes?"
„Was ist ein Gänger des Netzes?"
Jetzt war es an dem Cappin, verwundert zu sein. Es brach fast eine Welt für ihn zusarnmen. Wie war es möglich, daß der andere nicht zu der Organisation gehörte, folglich keinen psionischen Imprint besaß und dennoch die Stränge des Psinetzes zur Fortbewegung benutzte?
Er wollte sich rasch zurückziehen, aber der andere erkannte seine Absicht. „Bleib!" bat er. „Du hast
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