1344 - Fluchtburg der Engel
gedrängt. Sie konnten nicht anders und gaben die Tür frei. Wir betraten ein wirklich leeres Hotel. Das war auch zu spüren. Eine alte Rezeption, in der die Möbel meiner Ansicht nach nur als Dekoration herumstanden. Aber wir blieben dort und fanden auch Sitzgelegenheiten. Da die Schwestern sich nicht hinsetzten, blieben auch wir stehen. In den nächsten Sekunden erfuhren wir, dass die Grauhaarige Wilma Dorn war, und die Frau mit den schwarz gefärbten Haaren auf den Namen Linda hörte.
»Da wir beide beschäftigt sind, Gentlemen, sagen Sie uns, was Sie hier wirklich wollen?«
»Es geht um eine Frau, deren Spur wir verfolgen«, erklärte Bill.
»Oh, da sind sie falsch. Es gibt hier niemand außer uns beiden. Oder?« Wilma schaute ihre Schwester fragend an und wenig später nickten beide.
»Das können wir uns denken, aber wir möchten trotzdem mit Ihnen über diese Frau sprechen.«
»Bitte.«
»Sie hießt Manon Lacre«, sagte ich.
Dieser eine Satz hatte gesessen. Beide Schwestern zuckten zusammen. Nicht stark, mehr zeichnete es sich im Gesicht ab, aber für uns stand fest, dass wir ins Schwarze getroffen hatten.
»Was soll das?«, fragte Wilma leise.
»Kennen Sie die Frau?«
»Nein!«
Die Lüge kam ihr glatt über die Lippen, doch sie sah an meinem Lächeln, dass ich ihr sie nicht abnahm.
»Warum bestreiten Sie, dass Sie Manon kennen, Mrs. Dorn?«
»Sie ist nicht hier!«
»Das glauben wir Ihnen.«
»Dann können Sie ja wieder gehen!«
Bill kam mir mit einer Antwort zuvor. »Manon Lacre ist tot. Sie verbrannte vor den Augen meines Freundes im Höllenfeuer. Das nur zu Ihrer Information. Und jetzt wäre es für Sie wirklich besser, wenn Sie uns nicht mehr anlügen würden. Wir sind eigentlich gekommen, um Sie zu schützen, weil wir nicht wollen, dass Ihnen das gleiche Schicksal widerfährt. Das ist nicht so einfach dahingesagt.«
Bills Worte mussten überzeugend gewirkt haben, denn die Schwestern gaben ihren Widerstand auf. Sie entspannten sich zwar nicht, aber ihre innere Abwehr lockerte sich ein wenig auf. Beide nahmen in den schmalen Sesseln Platz.
Dann sprachen sie miteinander, als wären wir nicht vorhanden.
»Sollen wir ihnen trauen, Linda?«
»Das musst du wissen.«
»Was sagt dein Gefühl?«
»Ja, wir könnten es versuchen. Sie haben über Manons Tod gesprochen, als täte es ihnen Leid. Ich denke nicht, dass sie auf der anderen Seite stehen.«
Wilma Dorn war noch nicht überzeugt. Sie ließ sich Zeit und nickte schließlich. »Okay, versuchen wir es.«
»Danke.«
»So freundlich sind Sie?«
»Warum sollen wir uns streiten, Mrs. Dorn? Schließlich arbeiten wir am gleichen Fall.«
»Ist es für Sie ein Fall?«
»Ja, Mrs. Dorn. Und ich sage Ihnen hiermit, das wir auf gewisse Fälle spezialisiert sind.« Wilma Dorns schaute mich so neugierig an, dass ich weitersprach. »Wir beschäftigen uns mit Fällen, die den Bereich des Normalen verlassen. Und dazu gehört auch Manon Lacre, die ja keine normale Frau war.«
»Das war sie in der Tat nicht.«
»Kannten Sie ihr Geheimnis?«, fragte ich.
Wilma Dorn räusperte sich und fuhr mit einer Hand über ihr Kinn hinweg. »Wenn jemand ein Geheimnis kennt, dann ist es ja kein Geheimnis mehr. Aber Manon war schon ein besonderer Mensch. Sie fühlte sich zu den Engeln hingezogen. Sie war davon überzeugt, Erbanlagen der Engel in sich zu tragen. Oder eines bestimmten Engels. Sie ist auf uns gekommen, weil wir uns für Engel interessieren, und sie verspürte auch eine Angst vor ihrem zweiten Ich. Deshalb suchte sie Schutz. Ja, sie wollte zu uns kommen und bei uns wohnen, und wir hatten nichts dagegen, denn wir hätten durch sie mehr über unsere Freunde erfahren können.«
»Aber jetzt ist sie tot«, sagte ich. »Die zweite Macht oder Kraft in ihrem Körper war stärker.«
»Und was ist stärker als die Engel?«, flüsterte Wilma Dorn mir zu. »Sagen sie es.«
Ich blickte sie an und hatte den Eindruck, dass sie die Antwort schon kannte. Trotzdem tat ich ihr den Gefallen und gab ihr eine Antwort.
»Die Hölle, Mrs. Dorn. Die verdammte Hölle ist stärker als die Engel. Zumindest bei ihr.«
Wilma wurde blass. Ihre Schwester ebenso. Beide dachten nach, behielten ihre Gedanken aber für sich und schüttelten die Köpfe.
»Wir haben nicht geblufft«, erklärte Bill mit fester und ernst klingender Stimme. »Manon Lacre wurde tatsächlich durch die Flammen der Hölle verbrannt.«
»Was hat sie denn getan?«, flüsterte Linda.
Bill breitete die Arme
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