1344 - Fluchtburg der Engel
aus. »Nichts hat sie getan, gar nichts. Sie wollte einfach nur zu Ihnen beiden. Das ist alles. Und jetzt sind Sie an der Reihe, uns eine Antwort zu geben.«
»Das können wir nicht.«
»Bitte«, sagte Bill. »Sie müssen einfach zu uns Vertrauen haben. Das ist wichtig. Warum wollte sie zu Ihnen? Das muss einen Grund gehabt haben. Wahrscheinlich sind sie in der Lage, zu den himmlischen Boten eine Verbindung aufzubauen.«
Beide wollten etwas sagen, aber sie überlegten es sich anders und schwiegen.
Auch wir sagten nichts. Wir wollten den Schwestern Gelegenheit geben, in Ruhe nachdenken zu können. Dass sie ein Geheimnis teilten, lag auf der Hand, aber sie scheuten davor zurück, es uns mitzuteilen. Irgendwie war es verständlich. Sie fochten in der Tat einen innerlichen Kampf aus, bis Wilma sich im Sessel aufrichtete, aber nicht aufstand.
»Gut«, sagte sie, »Ich sehe ein, dass es der bessere Weg ist, Ihnen zu vertrauen.«
»Wunderbar«, erwiderte ich lächelnd.
»Meine Schwester und ich haben tatsächlich etwas mit Engeln zu tun«, berichtete sie nach einem tiefen Atemzug. »Wir haben immer an sie geglaubt und unser Glaube wurde nicht enttäuscht. Er wurde sogar bestätigt, denn die Engel merkten genau, wer ihre Freunde waren und das haben sie uns auch gezeigt…«
In den folgenden Minuten wechselten sich die Schwestern mit ihren Erklärungen ab. Sie öffneten praktisch die geheimsten Kammern ihres Wissens, und wir erfuhren eine fast unglaubliche Geschichte, wobei ich sagen musste, dass wir es gewohnt waren, diese oft unglaublichen Geschichten zu hören. Für einen normalen Menschen war unsere Arbeit kaum nachvollziehbar, aber dass diese beiden Frauen es geschafft hatten, die Engel auf ihre Seite zu ziehen, das wunderte selbst uns.
»Dann haben Sie dieses Hotel also zu einem Heim für Engel gemacht«, fasste Bill zusammen.
»Das trifft nicht richtig zu, Mr. Conolly. Unser Hotel ist mehr eine Fluchtburg.«
»Wieso das?«
»Die Engel, die zu uns kamen, waren erschöpft. Wie nach einer langen Flucht. Wir haben ihnen die Chance geboten, sich bei uns auszuruhen. Sie werden uns irgendwann verlassen, das ist schon klar, aber zunächst haben sie einen Ort, an dem sie bleiben können. Das ist für sie sehr wichtig, und auch für uns.«
Bill schaute mich an, ich blickte ebenfalls in seine Augen. Da erkannte ich, dass er den Frauen glaubte, aber noch fehlte uns der letzte Beweis.
Und dann gab es da noch etwas, das zumindest mich gedanklich beschäftigte. Ich dachte an die graue Gestalt des unheimlichen Anhalters. Bill und ich waren davon ausgegangen, dass es sich um Belial handelte. Hundertprozentig waren wir nicht davon überzeugt, doch wenn es stimmte, dann baute sich die Frage auf, was er hier zu suchen hatte.
Ich wollte die Schwestern nicht mit diesem Problem konfrontieren. Noch war alles Theorie, es gab keinen Beweis und den sollten sie erst mal antreten.
»Sie haben ja von den Engeln gesprochen«, begann ich wieder.
»Bisher ist es nur Theorie gewesen. Vorweg gesagt, wir glauben Ihnen, aber es wäre für uns wichtig, auch einen Beweis zu bekommen. Dass sie uns zu den Engeln hinführen.«
Wilma Dorn sagte nichts. Auch ihre Schwester hielt sich zurück.
Beide überlegten, und es war Wilma, die schließlich nickte und dann sprach. »Ich denke, dass meine Schwester mit dem einverstanden ist, was ich Ihnen jetzt sagen werde. Noch vor einer Stunde hätte ich nicht gedacht, Fremden ein so großes Vertrauen entgegenzubringen, aber die Lage hat sich geändert. Auch kann ich Ihren Wunsch verstehen, Gentleman.« Sie nickte uns zu. »Ja, es ist nicht alles Theorie, was Linda und ich Ihnen mitgeteilt haben. Wir sind zu einem Erfolg gekommen. Die Engel haben diese Fluchtburg angenommen, um sich auszuruhen. Noch heute Morgen lagen sie wie Schläfer in unseren Hotelbetten.«
Bill und ich sagten nichts. Was wir da gehört hatten, überstieg unsere Hoffnungen bei weitem. Wir konnten es kaum fassen und Bill lachte etwas verlegen auf.
»Sie… Sie … haben uns soeben erklärt, dass die Engel in den Hotelzimmern liegen und sich ausruhen?«
»Das haben Sie schon richtig verstanden. Sie werden so lange dort bleiben, bis sie wieder zu Kräften gekommen sind. Ich weiß nicht, was sie so erschöpft hat, aber es muss etwas geben, das für sie eine große Gefahr darstellt.« Wilmas Gesicht hatte einen sehr besorgten Ausdruck angenommen.
Eine Gefahr!, schoss es mir durch den Kopf. Automatisch dachte ich wieder an die graue
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