1348 - Asche zu Asche
Jammern, aber auch das hörte schließlich auf, weil es Cindy schaffte, positive Gedanken zu fassen. Ich lebe!, so schoss es in ihr hoch. Ich bin nicht verletzt. Man hat mich nicht getötet. Ich liege in der Dunkelheit, aber ich kann aufstehen und mich bewegen.
Es war gut, dass sie so dachte, denn sie setzte dieses gute Gefühl in die Tat um.
Cindy Mora setzte sich hin. Schon beim ersten Versuch gelang es ihr. Sie hockte auf der leichten Schräge und wusste jetzt, dass sie in Richtung Leinwand schaute.
In diesem Moment kehrte wieder all der erlebte Schrecken zurück. Diesmal drehte sie nicht durch. Sie war in der Lage, mit ihm umzugehen, und ihre Angst hielt sich in Grenzen. Sie konnte wieder frei atmen und auch frei denken.
Nur war sie nicht frei!
Cindy holte tief Luft, auch wenn sie muffig und abgestanden war. Es musste etwas getan werden, und ihr fiel ein, dass die Tür abgeschlossen gewesen war.
Cindy stand auf.
Wackelig war sie auf den Beinen. Sie musste sich auch an der Lehne eines Außensitzes festhalten. Das war kein Problem. Es zählte nur, dass sie noch am Leben war.
Die Klinke fand sie diesmal schnell. Und sie erlebte das Gleiche wie beim ersten Versuch. Die verdammte Tür war fest verschlossen.
Es war für sie unmöglich, sie ohne ein entsprechendes Werkzeug zu öffnen.
Die Furcht kehrte wieder zurück. Sie merkte ihr Zittern und auch die Schwäche. Sie würde es kaum schaffen, sich länger auf den Beinen zu halten. Es gab nur eine Lösung. Sie musste sich hinsetzen und sich zumindest für einige Minuten ausruhen.
Auf den Boden wollte sie sich nicht hocken. Die nahe Sitzreihe lockte sie viel mehr. Cindy klappte eine Sitzfläche nach unten und ließ sich darauf nieder.
Es tat ihr gut, nicht mehr stehen zu müssen. Sie legte den Kopf zurück. Sie wollte sich zusammenreißen. Sie musste etwas unternehmen, und so schaute sie auf die Uhr.
Cindy stellte fest, dass sie recht lange auf dem Boden gelegen hatte. Die dritte Morgenstunde war bereits angebrochen. Ihrer Meinung nach würde es noch sehr lange dauern, bis man sie fand.
So würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten.
Wieder das verdammte Hocken in der völligen Dunkelheit. Nicht einmal Streichhölzer oder ein Feuerzeug hatte sie dabei.
Und sie wusste auch, dass die Furcht zurückkehren würde. Vor allen Dingen dann, wenn sie über das Erlebte nachdachte.
»Holt mich hier raus!«, flüsterte sie. »Holt mich hier raus, verdammt!« Das letzte Wort wurde zu einem wilden Schrei. Nur war niemand da, der ihn hörte oder hören wollte.
So kämpfte sie weiter mit ihren Gefühlen und versuchte verzweifelt, Klarheit in ihre Gedanken zu bringen.
Es gelang ihr nicht. Die Nervosität nahm zu. Mit den flachen Händen fuhr sie an ihrer Kleidung entlang – und blieb plötzlich wie eingefroren sitzen.
Sie war auf Widerstand gestoßen!
In der linken Tasche ihrer Jacke steckte etwas. Ein flacher Gegenstand, an den sie bisher nicht gedacht hatte. Durch das Tasten allerdings wusste sie Bescheid.
Ihr Handy!
Plötzlich jagte ein regelrechtes Glücksgefühl durch ihren Körper.
Sie konnte wieder frei durchatmen. So schnell wie sie wollte, schaffte sie es kaum, das Handy aus der Tasche zu ziehen. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie es fast fallen gelassen hätte. Es besaß noch genügend Saft.
Sie kam durch.
Bei der Polizei.
Notrufnummer!
Was alles durch ihren Kopf schoss, bekam sie nicht in die Reihe.
Es waren Gedanken, die ihr einen Grund für Panik gegeben hätten, und selbst die ruhige Stimme des Polizisten konnte sie nicht beruhigen. Ihre Meldung setzte sie mehr als Schrei ab.
»Holt mich hier raus! Holt mich hier raus…!«
***
Sir James hatte uns nicht verraten, um was es ging. So kannten Suko und ich nur den Namen der Frau. Sie hieß Cindy Mora und befand sich noch in ärztlicher Behandlung. Wobei es weniger um äußere Verletzungen ging als um die inneren.
Man hatte sie in eines der kleineren Krankenhäuser gebracht.
Hier herrschte noch kein so großer Patientennotstand wie in den anderen Kliniken, und wir waren froh, uns nicht erst groß durchfragen zu müssen und über Korridore in die verschiedenen Etagen geschickt zu werden.
An der Anmeldung saßen zwei Frauen. Eine kümmerte sich weiter um ihren Computer. Die zweite schaute uns aus übermüdeten Augen an. Trotzdem erkundigte sie sich mit freundlicher Stimme bei uns, was sie für uns tun könnte.
»Wir möchten zu Cindy Mora. Wie ich hörte, ist sie in der
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