1352 - Die schwarzen Schiffe
verband die Enden mit geraden Stecken und fügte Halterungen hinzu, die das Segel am improvisierten Mast fixieren sollten. „Das wär's!" erklärte sie mit ironischem Understatement, als die Nacht hereingebrochen war. Vor ihnen lag, zum Wassern bereit, die fertige Konstruktion. „Gehen wir schlafen. Morgen wird ein harter Tag."
Sie brachen auf, als die Sonne schon ein gutes Stück den Horizont emporgekrochen war. Der Wind blies aus nördlicher Richtung. „Wirklich hervorragend!" kommentierte Nerva-Than diesen Umstand. „Besser hätte es nicht kommen können."
Mit vereinten Kräften zogen sie an einem dünnen Seil die Floßkonstruktion ins seichte Uferwasser. Dabei vermochten die Kekkerek aufgrund ihrer Statur nur wenig Hilfe zu leisten. Aber sie schafften es auch so.
In kurzer Entfernung vom Strand erfaßte eine meerwärts gerichtete Strömung das Floß. Sie ließen sich eine Weile treiben, beobachteten dabei sorgenvoll den nördlichen Horizont, wo noch die oberen Kuppen der schwarzen Schiffe zu sehen waren, und setzten schließlich das Segel. Narktor und Wido hielten zu diesem Zweck zwei Leinen fest in Händen. Gleichzeitig sorgten ein paar Kekkerek oben am Mast für Stabilität.
Im Verlauf des ersten Tages legten sie mehr als zweihundert Kilometer zurück. Nerva-Than erwies sich als erfahrene Seglerin, deren Praxis zwar schon viele Jahre zurücklag, jedoch nur kurzer Auffrischung bedurft hatte. Der Strand blieb stets in Sichtweite. „Wir haben weder Kompaß noch Sextanten", begründete die Frau ihre Maßnahme. „Und den Sternenhimmel kennen wir auch nicht gründlich genug; so kommen wir noch am besten ans Ziel. Außerdem liegt der Außenposten direkt an der Küste. Wenn wir ohne Ortungsgeräte hinfinden wollen, müssen wir schon nahe dranbleiben."
Das sah Narktor ein. Gemeinsam mit seinem Gefährten von Terra befolgte er deshalb kommentarlos Nerva-Thans Anweisungen.
Gegen Abend, als das schwindende Tageslicht ihrer raschen Fahrt ein Ende setzte, steuerten sie in einer Bucht das Floß auf Grund. Noch handelte es sich um vertrautes, dicht bewaldetes Gelände. Wie allerdings ein paar hundert Kilometer weiter die Verhältnisse waren, wußte niemand von ihnen.
Der nächste Tag brachte ähnlich gute Fahrt.
Sie legten wiederum fast zweihundert Kilometer zurück, bis eine Stunde vor Sonnenuntergang der Wind merklich abnahm. Narktor und der hagere, verschwitzte Mann neben ihm atmeten merklich auf - hatten die beiden zurückliegenden Tage ihnen doch alles abgefordert. Lediglich die Kekkerek schnatterten munter wie immer. Die ungewohnte Seefahrt machte ihnen weniger zu schaffen, als Narktor erwartet hatte.
Am dritten Tag der Reise herrschte Flaute. Gemeinsam mit Nerva-Than fluchte der stämmige Springer, als gelte es, einen unsichtbaren Beobachter von ihrem Wortschatz zu überzeugen. „Da gibt es nichts", unterbrach Wido Helfrich. „Warten wir, bis uns das Schicksal wieder volle Segel schickt..." Narktor verdrehte die Augen. „Der mit seinen Sprüchen macht mich noch mal fertig!"
„... und bis dahin rudern wir eben", setzte Wido trocken hinzu.
In der Hauptsache ruderten allerdings die drei Menschen. Die Kekkerek-Begleiter waren mit ihren langen Kletterarmen nicht imstande dazu. Erst Stunden später kam wieder eine leichte Brise auf, doch zumindest ließ der Wind sie rascher ihrem Ziel entgegengleiten als pure Muskelkraft.
Und das Glück blieb ihnen in der Folge treu. Es ging gut voran, und in den nächsten fünf Tagen unterbrachen sie, abgesehen von den nächtlichen Stopps am Uferstreifen, nur zweimal ihren Kurs, um Wasser und Proviant aufzunehmen. „Wir haben mehr Glück als Verstand", stellte Nerva-Than einmal kritisch fest. „Sei doch froh", versetzte Narktor da. „Vielleicht kommt es noch dicker, als du glaubst."
Er ahnte nicht, wie recht er hatte. Aber zunächst hielt die Glückssträhne an - gegen Mittag des neunten Tages entdeckten sie am südlichen Ende der Landbrücke zwischen Aaland und Beland den Außenposten. „Da hinten ist es!" rief Wido. „Der Stützpunkt! Seht ihr die drei Kuppelbauten?"
„Sicher, Wido, ganz ruhig", wiegelte Narktor ab.
Er betrachtete äußerlich gelassen, innerlich aber jubelnd die metallisch glänzenden Fremdkörper in der Landschaft. Sie hatten es geschafft. Mit ein wenig Glück würden die schwarzen Schiffe der Fremden bei ihrer Rückkehr noch an Ort und Stelle sein; zumindest war Narktor diesbezüglich optimistisch. „Nichts wie hin", schlug er vor, „wir
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