1353 - Die Fratze des Todes
geschöpft.
Bisher hatte sie sich noch nicht zu ihm hingetraut. Nur war die Nacht lang, und da konnte sich schon einiges verändern. Er würde abwarten und zuschlagen, wenn es wichtig war.
Er blieb nicht mehr auf dem Altar hocken. Keine Schmerzen mehr, auch keine Stimme, die ihn störte. Er fühlte sich jetzt recht wohl in seiner Haut.
Er ging gebückt. Mit seinen langen Armen schabte er über den alten Steinboden hinweg. Warlock wusste, dass er sich auf seine Kräfte verlassen konnte.
Allerdings führte er noch einen Test durch. Er gab sich einen kurzen Schwung und huschte plötzlich an der Wand entlang wie ein flinkes Tier. Er hörte selbst das Kratzen seiner Nägel und achtete auf seinen fauchenden Atem.
Wer immer kam, er war bereit!
Mit einer Drehung nach links geriet er in die Reichweite des langen Messers. Es war der einzige Freund, auf den er sich verlassen konnte. Und er wusste auch, was passieren würde, wenn er auf den toten Menschen schaute.
Dann würde ihn das andere Gefühl wieder überfallen. Dieses verdammte schlechte Gewissen. Damit musste er fertig werden, und vielleicht würde sein Hilferuf mal erhört.
Irgendwann…
***
Sie betraten ein Haus, dass Suko noch nicht kannte. Nur würde er sich darin nie verlaufen, weil dieses Haus genauso aussah wie das, in dem er wohnte.
Auch in dieser Umgebung war die Zeit nicht stehen geblieben. Die Decke der Dunkelheit sorgte dafür, dass die meisten Geräusche verstummten. Eine gewisse Stille trat ein, aber nicht alle Menschen lagen in ihren Betten und schliefen.
Sie hielten sich zurück. Kein Überfall. Es schien sich herumgesprochen zu haben, dass der neue Mieter nicht ohne war.
Ein schwaches Licht umschwebte die Nähe des Eingangs. Zwei junge Mädchen standen dort und rauchten. Sie trugen lange Klamotten und hatten sich mit silbrigem Modeschmuck behängt.
Fleur blieb vor den beiden stehen. »Hi, wie geht es euch?«
»Das Leben ist Scheiße.«
»Ja, kann ich verstehen. Wenn man so rumhängt wie ihr, dann ist es auch nicht anders. Ich hatte euch doch einen Job vermittelt. Ist daraus was geworden?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Wir hatten keine Lust. War zu schwer. Zehn Stunden in einem Lager und Kistenschleppen. Haben wir nicht gemacht.«
»Toll. Dann hängt ihr lieber hier rum, wie?«
Sie hoben wie abgesprochen ihre mageren Schultern. Dann qualmten sie ihre Zigaretten weiter, deren Füllung nicht aus Tabak bestand, sondern aus Hanf.
»So ist es oft«, flüsterte Fleur ihrem Begleiter zu. »Keinen Bock auf irgendwas. Dann lieber herumhängen und sehen, was so abläuft. Ich habe wirklich oft das Gefühl, gegen Gummiwände zu kämpfen.«
»Wollen Sie nicht aufgeben?«
»Ha. Daran gedacht habe ich schon. Dann aber fiel mir ein, dass ich auch Erfolge erlebt habe, und so etwas macht dann vieles wieder wett. Egal, das ist nicht ihr Problem.«
»Stimmt. Und wo finden wir Warlock?«
Dass sich Fleur auch in diesem Haus auskannte, bewies sie in den nächsten Sekunden. Zielstrebig schritt sie auf eine Wohnungstür zu, die im Schatten lag.
Beide befanden sich allein hier unten. Vom Boden her drang ein ekliger Geruch in ihren Nasen. Jemand hatte dort seine Notdurft verrichtet. Die braune dünne Brühe war bereits eingetrocknet. Sie stank trotzdem noch.
Suko hatte seine Lampe hervorgeholt. Er strahlte gegen das Türschloss und war schon beim ersten Hinschauen zufrieden, denn Warlock hatte sich auf das normale Schloss verlassen und keines eingebaut, das nur schwer zu knacken war.
»Sollen wir schellen?«
Suko lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, das werden wir nicht. Außerdem gehe ich davon aus, dass der Vogel ausgeflogen ist.«
»Was macht Sie denn so sicher?«
»Die Situation an sich. Draußen ist es finster. Für Warlock eine ideale Tarnung.«
»Sie haben Erfahrung, wie?«
Suko hob nur die Schultern. Dann holte er sein schmales Etui hervor und klappte es auf.
»Ich will gar nicht sehen, was Sie machen«, flüsterte die Streetworkerin.
»Es ist auch nicht die Regel bei mir«, erklärte Suko. »Manchmal gibt es keine andere Alternative.«
»Gut, ich stehe Schmiere.«
Fleur Aubry drehte sich um, damit Suko sich in aller Ruhe mit dem Türschloss beschäftigen konnte.
Dass es ihn nicht vor zu große Probleme stellen würde, hatte er bereits beim ersten Hinsehen erkannt. Er nahm einen bestimmten Stab und schob ihn in das Loch hinein.
Suko arbeitete sehr konzentriert. Bereits nach wenigen Sekunden vernahm er das charakteristische
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