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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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der König. Er hielt inne, als der Diener einen großen Lederbecher mit Bier brachte, das der Schotte gierig hinunterstürzte. Das Schluckgeräusch war scheußlich, genau wie der Anblick des Biers, das Douglas aus den Mundwinkeln in den Bart lief. Ein Barbar, dachte König Jean, ein Barbar vom Ende der Welt. «Ihr wart durstig, Messire», sagte er.
    «Genau wie die Engländer es sind, Sire», sagte Douglas und warf Luc nebenbei den Lederbecher zu. Der König unterdrückte ein Seufzen. Hatte dieser Mensch denn überhaupt keine Manieren? «Ich habe mit einem Bauern geredet», fuhr Douglas fort, «und er sagte mir, dass es auf diesem Hügel kein verdammtes Wasser gibt.»
    «Es fließt aber ein Fluss vorbei, dachte ich.»
    «Und wie soll man genügend Wasser für Tausende von Männern und Pferden auf den Hügel schaffen? Sie werden ein bisschen Wasser hinauftragen, Sire, aber nicht genug.»
    «Dann sollten wir ihnen vielleicht erlauben zu verdursten», schlug der König vor.
    «Vorher brechen sie nach Süden aus, Sire», sagte Douglas und reichte dem König den Pfeil.
    «Ein englischer Pfeil», sagte König Jean.
    «Ich habe einen Mann», sagte Douglas, «der in den letzten Wochen Kardinal Bessières unterstützt hat. Ob dieser Mann wirklich ein Mensch ist, weiß ich nicht, Sire, er hat nämlich mehr von einem Tier an sich, und er kämpft wie ein Satan. Verdammt, er jagt sogar mir Angst ein, also weiß Gott allein, wie er auf den Feind wirkt. Und etwas früher heute Abend, Sire, hat ein englischer Bogenschütze einen Pfeil auf mein Tier geschossen. Er hat es mitten auf dem Brustpanzer getroffen. Der Bastard hat aus nicht mehr als dreißig oder vierzig Schritt Entfernung geschossen, aber mein Vieh lebt trotzdem noch. Der Kerl ist sogar mehr als lebendig, jetzt gerade macht der Glückliche einem Dorfmädchen ein Kind. Und wenn ein Mann auf vierzig Schritt Entfernung von einem englischen Pfeil getroffen wird und so unbeschadet überlebt, dass er ein paar Stunden später ein Mädchen besteigen kann, dann sollten wir alle etwas daraus lernen.»
    Der König betastete die Pfeilspitze. Sie war einmal vier Zoll lang, glatt und scharf gewesen, doch nun war sie verformt und stumpf. Also hatte der Pfeil den Brustpanzer nicht durchbohrt. «Wir haben ein Sprichwort, Messire», sagte der König, «dass nämlich eine Schwalbe noch keinen Sommer macht.»
    «Wir haben dasselbe Sprichwort, Sire. Aber seht Euch diesen Pfeil an!»
    Der herrische Ton des Schotten reizte den König, dessen Jähzorn berüchtigt war, aber er hielt seinen Ärger im Zaum. Er fuhr mit dem Finger über die gestauchte Pfeilspitze. «Wollt Ihr mir sagen, dass er schlecht gemacht wurde?», fragte er. «Ein Pfeil. Euer Vieh hat einfach Glück gehabt.»
    «Sie machen Tausende von Pfeilen, Sire», sagte Douglas. Er redete jetzt leise und eher ernst als einschüchternd. «Jede Grafschaft in England hat die Pflicht, soundso viele tausend Pfeile zu liefern. Einige Männer schneiden das Holz, andere bereiten die Pfeilschäfte vor, wieder andere sammeln die Gänsefedern, andere kochen den Leim, und die Schmiede machen die Pfeilspitzen. Hunderte von Schmieden, über das ganze Land verteilt, schmieden Tausende Pfeilspitzen, und all diese Dinge, die Schäfte, die Federn und die Spitzen, werden eingesammelt und nach London geschickt. Und wenn ich eines weiß, Sire, dann das: Wenn Ihr etwas in hunderttausendfacher Ausfertigung herstellt, dann wird es nicht so gut wie ein einzelner Gegenstand, den ein Handwerker anfertigt. Ihr esst von goldenen Tellern, Sire, und das sollt Ihr auch, aber Eure Untertanen essen von billigem Tongeschirr. Ihre Teller werden zu Tausenden gemacht, und sie zerbrechen leicht. Pfeile sind schwieriger zu machen als Schalen und Teller! Der Schmied muss einschätzen, wie viel Knochen er in die Esse gibt, und wer kann sicher sein, dass er das überhaupt tut?»
    «Knochen?», fragte der König. Er war fasziniert von dem, was ihm Douglas erzählte. Stellten die Engländer wirklich auf diese Weise ihre Pfeile her? Sie verschossen in einer einzigen Schlacht Hunderttausende von Pfeilen, also mussten sie in gewaltigen Mengen hergestellt werden, und das erforderte eindeutig Organisation. Er versuchte sich vorzustellen, wie so etwas in Frankreich durchgeführt würde, und seufzte angesichts der Unmöglichkeit dieses Gedankens. «Knochen?», fragte er noch einmal und bekreuzigte sich. «Das klingt nach Hexerei.»
    «Wenn ihr in einer Esse Eisenerz schmelzt, Sire,

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