Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
erhaltet Ihr Eisen, aber wenn Ihr Knochen hinzufügt, erhaltet Ihr Stahl.»
    «Das wusste ich nicht.»
    «Es heißt, mit den Knochen einer Jungfrau bekommt man den besten Stahl.»
    «Das scheint mir einleuchtend.»
    «Und Jungfrauen sind Mangelware», sagte Douglas, «Eure Waffenschmiede dagegen, Sire, achten auf ihren Stahl. Sie machen gute Brustpanzer, gute Helme und gute Beinschienen. So gut, dass sie einen billigen englischen Pfeil aufhalten.»
    Der König nickte. Er musste zugeben, dass der Schotte vernünftig argumentierte. «Denkt Ihr, dass wir zu viel Ehrfurcht vor den englischen Bogenschützen haben?»
    «Ich denke, Sire, dass Euch die Engländer in Stücke reißen, wenn Ihr sie zu Pferd angreift. Aber wenn Ihr zu Fuß kämpft, Herr, werden die Pfeile an gutem Stahl abprallen. Sie können einen Schild durchbohren, aber keine Rüstung. Da könnten sie ebenso gut Steine auf uns werfen.»
    Der König starrte den Pfeil an. Bei Crécy hatten die Franzosen, wie er wusste, zu Pferd angegriffen, und die Pferde waren zu Hunderten getötet worden, und in dem darauffolgenden Wirrwarr auf dem Schlachtfeld waren auch die Waffenknechte zu Hunderten gestorben. Die Engländer jedoch hatten zu Fuß gekämpft. Sie kämpften immer zu Fuß. Dafür waren sie berühmt. Sie waren in Schottland besiegt worden, Hunderte Engländer waren von schottischen Pikenieren niedergemacht worden, und das war das letzte Mal gewesen, bei dem sie zu Pferd angegriffen hatten. Dem König ging der Gedanke durch den Kopf, dass seine Gegner ihre Lektion gelernt hatten. Also musste er es auch. Die französischen Ritter waren davon überzeugt, dass es nur eine Art des Kampfes gab, vom Pferderücken aus. Gewiss war das die vornehmste Art des Kampfes: die prächtige, furchterregende Art – Männer und Metall und Pferde in einer Einheit; doch der gesunde Menschenverstand sagte, dass Douglas recht hatte. Die Pferde würden im Pfeilhagel untergehen. Der König fuhr erneut über die verbogene Pfeilspitze. Also zu Fuß kämpfen? Tun, was die Engländer taten? Und dann würden die Pfeile versagen? «Ich werde über Eure Worte nachdenken, Messire», erklärte er Douglas und reichte ihm den Pfeil zurück, «und Dank für Euren Rat.»
    «Behaltet den Pfeil, Sire», sagte Douglas, «und erringt diesen großen Sieg morgen.»
    Der König schüttelte sofort den Kopf. «Nicht morgen, nein! Morgen ist Sonntag. Die
Treuga Dei
, die Waffenruhe Gottes. Die Kardinäle haben versprochen, mit dem Prinzen zu verhandeln, damit er unseren Forderungen nachgibt.» Er warf einen flüchtigen Blick nordwärts. «Falls die Engländer überhaupt noch dort sind.»
    Der Lord of Douglas beherrschte seinen Drang, sich über die Vorstellung einer heiligen Waffenruhe am Sonntag lustig zu machen. Was ihn betraf, war ein Tag so gut wie jeder andere, um Engländer zu töten, aber er spürte, dass er den König von der Verwundbarkeit des Gegners überzeugt hatte, also hatte es keinen Sinn, den Mann gegen sich aufzubringen. «Aber wenn Ihr diesen großen Sieg erringt, Sire», sagte er, «und Eure Gefangenen nach Paris bringt, dann nehmt auch diesen Pfeil mit und behaltet ihn zur Erinnerung daran, dass die Engländer ihr Vertrauen auf eine unwirksame Waffe gesetzt haben.» Er unterbrach sich, dann ließ er eine Verbeugung folgen. «Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Sire.»
    Der König sagte nichts. Wieder und wieder drehte er den Pfeil zwischen seinen Händen.
    Und er träumte davon, dass in ganz Paris der Jubel widerhallte.
     
    Als es hell wurde, hing Nebel im Wald. Alles war grau. Rauch aus tausend Lagerfeuern verdichtete den Nebel, durch den wie Geister Männer in Kettenhemden gingen. Ein Pferd riss sich von seinem Strick los und trabte zwischen den Eichen hindurch und dann den Hang hinunter Richtung Fluss. Die Hufschläge verloren sich im Dunst. Die Bogenschützen hielten die aufgerollten Sehnen in ihren Helmen oder in Beuteln trocken. Männer zogen Steine über die Kanten grauer Klingen. Es wurde nicht viel geredet. Zwei Diener scharrten mit den Füßen die Eicheln aus der Umgebung angepflockter Pferde. «Es ist merkwürdig», sagte Keane, «Ponys kann man Eicheln geben, aber Pferden nicht.»
    «Ich hasse Eicheln», sagte Thomas.
    «Sie vergiften die Pferde, aber Ponys nicht. Das habe ich nie verstanden.»
    «Sie schmecken zu bitter.»
    «Man kann sie in Fließwasser einweichen», sagte Keane, «und wenn das Wasser klar bleibt, sind sie nicht mehr bitter.»
    Unzählige Eicheln knirschten

Weitere Kostenlose Bücher