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1356

1356

Titel: 1356 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Steinschalen, Kannen und aufgehäuften Gewändern. Er riss die Gewänder auf den Boden, kam durch eine weitere Tür und war in einem kleinen, ummauerten Kräutergarten. Es war niemand da, und es gab keine Tür außer der, durch die er gekommen war, und die Männer riefen in dem Gang, sie waren dicht hinter ihm, zu dicht. Es regnete wieder stärker. Eine hohe Mauer begrenzte den Garten auf einer Seite, und Thomas sprang hoch, hielt sich an der Mauerkrone fest und zog sich mit seinen enormen Bogenschützenmuskeln hinauf. Er schwang ein Bein herum, saß rittlings auf der Mauer, richtete sich auf und rannte die breite Mauerkrone entlang, bis dahin, wo die Mauer an einem schrägen Ziegeldach endete. Männer hasteten in den Garten, als er auf das Dach stieg. Der Regen machte die Ziegel schlüpfrig, und er suchte ein paar Augenblicke mit rudernden Armen das Gleichgewicht, bevor er den First erreichte. «Dort ist er!», rief der Ire Keane leidenschaftlich. «In Richtung Küche!»
    Thomas riss einen Ziegel aus dem Dach und schleuderte ihn auf die Studenten, dann noch einen. Keane fluchte lästerlich, duckte sich, und dann war Thomas auf dem Dachfirst außer Sicht, rannte weiter, doch er hörte die Rufe und das Gebrüll der Studenten, die sich ganz der wilden Jagd hingaben. Einen ketzerischen Engländer zu jagen war viel unterhaltsamer als eine Erörterung über die Kardinaltugenden oder die Notwendigkeit der Säuglingstaufe.
    Ein Armbrustbolzen zischte an Thomas vorbei, und er sah auf seiner linken Seite einen Mann im Wappenrock der Stadt, der auf der Einrüstung einer Kirche seine Waffe nachlud. Verflucht. Thomas setzte sich auf den Dachfirst, dann ließ er sich auf den schmierigen Ziegeln hinuntergleiten, bis seine Füße heftig auf einen schmalen Steinsims stießen. «Er ist auf dem Refektorium!», rief ein Mann. Thomas löste noch einen Ziegel und schleuderte ihn weit und hoch in die Luft, durch den Regen und über das Dach, damit er irgendwo entfernt von ihm aufkam. Er hörte den Aufprall, das Splittern der Scherben. «Die andere Richtung!», rief eine Stimme. «Er ist auf dem Kapitelsaal.» Eine Glocke begann zu läuten, dann stimmte eine zweite ein, und Thomas hörte Schritte auf dem Dach hinter dem First. Er sah nach links und rechts, entdeckte aber keinen Fluchtweg, dann spähte er vorsichtig über den Steinsims. Unter ihm lag ein weiterer Garten, ein kleiner, in dem dicht an dicht Obstbäume standen. «Nach links!», rief eine Stimme irgendwo hinter ihm.
    «Nein, er ist hier entlang!» Das war der irische Student, Keane, und er klang sehr überzeugend. «Hier entlang», brüllte er, «ich habe den Bastard gesehen!»
    Thomas hörte, wie sich die Geräusche der Verfolger entfernten. Keane führte sie in die vollkommen falsche Richtung, dennoch war Thomas nicht außer Gefahr. Er musste einen Weg von den Dächern hinunter finden, also beschloss er, es mit dem kleinen Garten zu versuchen. Er schwang seine Beine über den Sims, und dort saß er, zögerte, weil der Fall tief sein würde, doch er hatte keine Wahl. Er sprang, fiel armrudernd durch Äste, feuchtes Blattwerk und Blüten. Er kam hart auf und wurde vorwärts auf seine Hände geschleudert. Ein heftiger Schmerz fuhr durch seinen linken Knöchel, sodass er auf allen vieren blieb, auf seine Verfolger lauschend, deren Stimmen immer schwächer wurden. Nicht bewegen, dachte er. Nicht bewegen, und die Jäger vorbeiziehen lassen. Abwarten.
    «Diese Armbrust», sagte die Stimme sehr dicht hinter ihm, «ist auf Euren Rücken gerichtet. Sie wird Euch weh tun. Und zwar sehr.»
     
    Es war ein Geniestreich gewesen, dachte Vater Marchant, die Abtei Saint Denis auszuwählen, um die Vigil des Fischerordens und seine feierliche Weihe abzuhalten. Dort, unter den hoch aufsteigenden Mauergewölben mit den prächtigen, verstaubten Buntglasfenstern, durch die das Abendlicht hereinschimmerte, und vor einem Altar, der mit Goldgefäßen und Silber überladen war, knieten die Ritter des Fischerordens nieder, um ihren Segen zu empfangen. Ein Chor sang eine traurige Weise, die doch beflügelnd wirkte in der großen Abteikirche, in der die Könige Frankreichs kalt in ihren Gräbern lagen und die Oriflamme auf dem Altar wachte. Die Oriflamme war das Kriegsbanner Frankreichs, eine große, rote Seidenfahne, die über dem König wehte, wenn er in die Schlacht zog. Die Oriflamme war heilig. «Sie ist neu», knurrte Arnoul d’Audrehem, ein Marschall Frankreichs, seinem Begleiter, dem Lord of

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