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Gang hörbar, und de Beauforts Stimme versiegte, als sechs bewaffnete und gerüstete Männer durch den Bogen in den Vortragssaal kamen. Sie trugen Kettenhemden und darüber Wappenröcke mit dem Bild der Jungfrau, und alle trugen Speere und Helme. Ihnen folgten zwei Männer in den blau-rosa Gewändern des Magistrats von Montpellier sowie der Statthalter, und danach kam ein Mann mit dem Wappen der weißen Rose: Roland de Verrec.
«Ihr unterbrecht uns», sagte Doktor Lucius ungehalten, allerdings auf Latein, sodass ihn keiner der Neuankömmlinge verstand.
«Das ist er.» Roland de Verrec achtete nicht auf den Doktor und deutete auf Thomas. «Verhaftet ihn!»
«Weswegen?», fragte Doktor Lucius auf Französisch und versuchte seine Autorität im Vorlesungssaal wiederherzustellen.
«Für die Verschleppung der rechtmäßigen Ehefrau eines anderen Mannes», antwortete Roland de Verrec, «und für das noch schlimmere Verbrechen der Ketzerei. Er ist exkommuniziert, von der Kirche verstoßen, den Menschen verhasst. Sein Name ist Thomas of Hookton, und ich verlange, dass er meinem Gewahrsam ausgeliefert wird.» Er bedeutete den bewaffneten Männern mit einer Geste, Thomas zu ergreifen.
Thomas fluchte leise und trat zwei Schritte zurück. Dann packte er Bruder Michael am Arm, der immer noch fassungslos die Neuankömmlinge anstarrte. Thomas hatte sein Schwert bei Genevieve gelassen, denn bewaffnet wäre ihm der Eintritt ins Kloster verwehrt worden, allerdings steckte ein kurzes Messer unter seinem Gürtel, und er zog es, legte Bruder Michael den linken Arm um den Hals und die Messerspitze an seine Kehle. Bruder Michael gab ein ersticktes Geräusch von sich, das die Stadtwachen aufhielt. «Zurück», sagte Thomas, «oder ich töte den Mönch.»
«Wenn Ihr Euch friedlich ergebt», erklärte Roland de Verrec, «werde ich den Comte de Labrouillade bitten, Euch gegenüber Milde walten zu lassen.» Er hielt inne, als erwartete er, Thomas werde die Klinge sinken lassen. «Ergreift ihn», befahl er den Wachen, als das Messer an Bruder Michaels Kehle blieb.
«Wollt Ihr seinen Tod?», rief Thomas. Er verstärkte seinen Würgegriff um die Kehle des jungen Mönchs, sodass Bruder Michael ein entsetztes Wimmern ausstieß.
«Eine Belohnung für denjenigen, der ihn packt», verkündete Roland de Verrec und trat selbst einen Schritt vor. Die Aussicht auf eine Belohnung weckte die Studenten aus ihrer Erstarrung, die mit großen Augen das Drama verfolgt hatten, das ihre Theologievorlesung belebte. Sie brüllten wie Jäger, die ihre Beute zum Greifen nah vor sich hatten, und warfen die Bänke um, als sie losstürmten, um Thomas zu fangen.
«Er ist tot!», schrie Thomas, und die Studenten blieben stehen, weil sie fürchteten, dass gleich das Blut des Mönchs fließen würde. «Sagt Genevieve», flüsterte Thomas Bruder Michael ins Ohr, «sie soll zu Karyl gehen.» Genevieve, die aufgrund ihres Geschlechts das Männerkloster nicht betreten durfte, war mit Hugh, Galdric und den beiden Waffenknechten im Gasthaus geblieben.
«Lieber Herr Jesus, rette mich!», keuchte Bruder Michael, und Thomas lockerte den Griff seines linken Arms, stieß den Mönch heftig nach vorn auf die Studentengruppe zu und rannte nach links in einen weiteren offenen Gang. Seine Verfolger begannen erneut zu brüllen und sich gegenseitig anzufeuern. Doktor Lucius bat mit erhobener Stimme um Ordnung, aber vergebens, und Thomas hörte ihre Schritte, sah zu seiner Rechten eine Tür und riss sie auf. Ein Lavatorium! Drei Mönche saßen vorgebeugt auf der Steinbank, die an einer Seite des stinkenden Raums entlanglief, an dessen anderem Ende ein Rundbogen mit einer Tür lag. Die Mönche sahen Thomas mit aufgerissenen Augen an, wagten aber nicht, sich zu rühren, und Thomas packte einen am Bart und zerrte ihn, so wie er mit seinem blanken, schmutzigen Hintern war, auf den Boden. Das Gleiche tat er mit dem Zweiten, dann rannte er zum anderen Ende des Raumes. Die Verfolger drängten sich in das Lavatorium und stolperten über die Mönche auf dem Boden, da war Thomas bereits durch die Tür. Kein Riegel, um sie abzusperren. Ein Gang mit Türen auf beiden Seiten lag vor ihm. Mönchszellen? Er rannte weiter, fluchte auf die alte Verwundung an seinem Bein, wegen der er nicht mehr so schnell laufen konnte wie früher, doch immerhin konnte er seinen Vorsprung halten. Er platzte durch eine weitere Tür mit einem Riegel auf der falschen Seite und war in einer Art Wäscheraum mit großen
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