1360 - Abschied der Vironauten
durch die Querionen hatte Salaam Siin kaum schockiert. Er war ja erst kurze Zeit Mitglied dieser Vereinigung gewesen. DORIFER hatte ihm nie so viel bedeutet wie den meisten anderen der knapp fünfhundert Mitglieder. Ebenso wie den Netzgängern aus der Milchstraße war es ihm in erster Linie um die Demontage des Kriegerkults gegangen.
Und nun, da dieses Ziel erreicht schien, galt es, den bedrohten Völkern Estartus beizustehen.
Seine Netzkombination trug er schon seit einigen Wochen nicht mehr. Die Präferenzstränge des Psionischen Netzes waren in besonderer Weise von der Destabilisierung betroffen; jeder Persönliche Sprung stellte ein Spiel mit dem Leben dar. Deshalb bewegte sich Salaam Siin grundsätzlich nur noch in seinem Spezialschiff, der HARMONIE. Hier fand er all jene Bedingungen vor, die ein ophalischer Meistersinger zur Arbeit benötigte.
Eine nicht lokalisierbare Stimme unterbrach seinen Gedankengang. „Salaam Siin! Es ist soweit... D'haan." Er stand allein inmitten immaterieller Büsche, womit die Projektoren der HARMONIE den schüsselförmigen oberen Rand des Schiffes angefüllt hatten. Die Illusion war perfekt - es ging soweit, daß Salaam Siin charakteristisch gedämpftes Schallverhalten erhielt, wie eben nur Buschwerk es produzierte.
Und auch die übrigen Projektoreinrichtungen konnten sich sehen lassen. Wenn Salaam Siin in Stimmung war, nahm ein psionischer Chor seine Melodien auf und brachte die gleiche Wirkung hervor, die ein echter Chor aus Ophalern erzielt hätte.
So hatte er auch den Nambaq siwa perfektioniert, jenen Gesang, den er den Gesang des Todes nannte.
Es handelte sich um eine banale, simple Melodie. Wurde sie allerdings mit dem genau richtigen Maß an psionischem Druck unterlegt, entstand eine furchtbare Waffe. Salaam Siin liebte Musik und all die großen Gesänge, die sein Volk zu Ehren ESTARTUS hervorgebracht hatte. Aber er liebte deren Klang, die kunstvolle Ausarbeitung und wurde deshalb schwer mit der mörderischen Natur des Nambaq siwa fertig.
Salaam Siin suchte eilig die Steuerzentrale der HARMONIE auf. Der Hauptbildschirm zeigte ein Abbild des Zielsterns, es handelte sich um die rote Riesensonne D-Haan, in der Eastside von Siom Som gelegen. Einziger Planet der Sonne war der Sauerstoffplanet Mardakaan.
Mardakaan ...
Salaam Siin dachte wehmütig an die Zeit zurück, als er zum ersten Mal den Planeten der Spiele betreten hatte. Er war ein hoffnungsvoller junger Sänger gewesen, und dann hatte sich alles anders entwickelt als erwartet. Zu einem guten Teil gingen die heutigen Verhältnisse dort unten auf seinen Einsatz zurück. Er hatte ja mitgeholfen, die Heraldischen Tore der Kalmenzone zerfallen zu lassen.
Nach diesem Ereignis war auf Markadaan das Chaos ausgebrochen. Seither kämpften die Ophaler dort um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von den Ewigen Kriegern.
Falsch, korrigierte sich Salaam Siin: Das Regime Ijarkors war längst zusammengebrochen. Inzwischen taten die Singuva, die ehemaligen Animateure, alles, sich selbst zu Herrschern Estartus aufzuschwingen.
Die entsprechenden Statuen des Oogh at Tarkan, die in jeder Upanishad das Herzstück des Kriegerkultes bildeten, und die Ereignisse des 31. Januar hatten die alte Ordnung endgültig zerschlagen.
Nun also würde er es mit einem Singuva zu tun bekommen.
Irgendwo in Mardakka, der Südpolstadt, hatte der geschwänzte Pterus die Macht übernommen. So zumindest lauteten die Berichte anderer Netzgänger. „Landegenehmigung einholen", bat Salaam Siin die Syntronik seines Schiffes. „Sollte bereits geschehen. Aber in Mardakka meldet sich niemand. Die Raumhafenkontrolle scheint verwaist, und meine Sensoren weisen gerade halb so viel Betrieb aus, wie es früher der Fall war."
„Dann landen wir eben ohne Genehmigung. Finde einen Platz am Rand des Hafenareals. Ich will möglichst rasch die eigentliche Stadt betreten können."
Der verminderte Betrieb war leicht erklärlich, denn das Ende des Kriegerkults hatte auch den Spielen einen entscheidenden Stoß versetzt. Und im Spiel des Lebens lag Mardakaans einzige Bestimmung.
Salaam Siin wunderte sich, an diesem Ort überhaupt noch Betrieb anzutreffen.
Aber auch hier ließ sich eine Erklärung finden, galt das psionische Talent der Ophaler doch als einzigartig in Estartu. Vermutlich würden alle möglichen Machtgruppierungen bestrebt sein, sich mit ophalischen Chören zu versorgen. Dies mußte er verhindern. In seiner Vorstellung sah der Meistersinger Mardakaan als
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