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137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Profession, die in dieser postapokalyptischen Welt so ungewöhnlich war wie ein Barbar ohne Flöhe, absolut ernst. Er und seine rechte Hand, Ritch Burbetsh, verfolgten die Proben und Aufführungen mit einer Akribie sondergleichen. Und heute Abend, in diesem kleinen Kuhdorf, das aus kaum mehr als einem Dutzend schäbiger Hütten bestand, würde er, Rulfan, erstmals in eine Sprechrolle schlüpfen. Er spürte – Lampenfieber.
    »Na, mein Süßer?«, säuselte ihn sein Partner Will Kemp an.
    Besser gesagt: Tittany, wie er auf der Bühne in der Rolle als sein verhasstes Weib heißen würde. »Wird dir schon warm unter der Perücke?«
    »Nicht so warm wie dir in der Hose«, entgegnete Rulfan.
    Der kleine Mann mit der zierlichen Figur hatte ihm schon mehrere eindeutige Anträge gemacht, wie auch schon einige andere aus Will Shags Truppe.
    »Überleg dir mein Angebot gut, mein Hübscher«, fuhr Kemp fort. »Was hoffst du denn zu finden unter den läusezerfressenen Decken der Damen des Publikums? Welke Dutten und behaarte Dschungel, in denen du kaum mehr als einen kurzen Moment der Glückseligkeit erhaschen kannst! Du solltest einmal an anderen Früchten naschen – wie zum Beispiel diesen hier!« Kemp nahm Rulfans Hand und führte sie ungeniert an seinen Hintern.
    Der Albino schüttelte den Arm des Schauspielers ab, packte ihn wütend an der Kehle und drückte ihn gegen einen Steher ihres Theaterwagens. »Ich warne dich, Kleiner: Noch eine solche Entgleisung deinerseits, und ich kürze deine ›Glückseligkeit‹ um ein entscheidendes Stück. Und wenn du dich auf der Bühne nicht zurückhalten kannst, werde ich dir zusätzliche Schmerzen bereiten, die du dein Leben lang nicht vergisst. Haben wir uns verstanden?«
    »J-ja!«, keuchte der kleine, blass geschminkte Mann. »War ja nur ein kleiner Scherz unter K-Kollegen.«
    »Wie du siehst, lache ich nicht. Und jetzt verschwinde!«
    Rulfan ließ ihn zu Boden plumpsen. Kemp wieselte auf allen Vieren davon.
    »Äußerst beeindruckend!«, sagte ein freudestrahlender Will Shag, der sich mühselig auf die Bühne stemmte. Er kam auf ihn zu und umarmte ihn freundschaftlich. »Genau das brauche ich! Eindringlichkeit. Wahrheit. Ehrlichkeit. Nehmt euch ein Beispiel, ihr Banausen; dies ist wahre Kunst! Diesen Ausdruck will ich heute bei Euch sehen, Master Rulfan, wenn Ihr hier oben steht, auf den Bohlen, die die Welt bedeuten, und auf Euer Publikum hinab seht. Dann wirst du es im Sturm erobern.«
    Peng. Da war es wieder, das Lampenfieber.
    ***
    »Bei des Feuers… ahm… mattem Flimmern, Taratzen, Guule, stellt euch ein! Tanzet in den schmutz’gen Zimmern Manchen leichten Ringelrein! Singt nach… nach meiner Lieder Weise! Singet! Hüpfet! Lose! Leise!«
    (Ein Sommernachtstraum, 5. Aufzug, 1. Szene, letzter Auftritt Oberons (leicht abgeändert))
     
    Rulfan blickte hinab auf die völlig perplexen Zuhörer und wankte schließlich neben Will Kemp von der Bühne, während unter den Ahs und Ohs der Barbaren der Nosfera Abdanef, die Wulfanin Sartaks und Epigoon, der Guul, ein letztes Mal auftraten. Robin Goodfellow stampfte mit steifen Gliedern auf der kleinen Bühne auf und ab und sprach die Schlussworte in seiner Rolle als Kobold.
    Leiser Schlussapplaus ertönte, von den vier, fünf Claquateuren im Publikum forciert. Die heftigsten Reaktionen verursachten naturgemäß die drei fremdartigen Wesen. Sie wurden ausgebuht, niedergeschrien und angespuckt.
    Bleich und mit Knien aus Wackelpudding kletterte Rulfan nach ihnen wieder auf die Bühne, verneigte sich unter mäßiger Anteilnahme und war froh, als der Zauber endlich, endlich vorüber war.
    »Nie mehr wieder, Master Shag!«, sagte der Albino und sank erschöpft zu Boden. »Ich wusste bislang nicht, dass es Schlimmeres gäbe als die Daa’muren, von denen ich dir erzählt habe. Aber dort oben, ganz alleine auf dem Podest – da wünschte ich mir, augenblicklich gevierteilt, geteert und gefedert zu werden.«
    »Aber Ihr wart großartig!«, rief Will Shag. »Das Publikum war begeistert. Kein einziger Mann stürmte mit dem Schwert auf die Bühne, und niemand warf Wakuda-Innereien nach uns. Und wenn wir Glück haben, spendiert uns der Wirt dieser Dorfschaft noch eine warme Mahlzeit.« Er klopfte Rulfan auf den Rücken. »Ihr habt Eure Sache gut gemacht; ich bin wahrlich zufrieden!« Er zwinkerte dem Albino vertraulich zu.
    »Seht Ihr die beiden Maiden dort, am Seitenaufgang zum Podium? Nun, ich meine, dass sie auf Euch warten, um Euch für diese

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