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137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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du die Welt nicht so, wie sie wirklich ist? Bemerkst du nicht all die schäbigen Hütten? Die Barbaren? Erbärmliche Armut? Bedrohungen von allen Seiten? Heimtücke, Schlachten, Brutalität…?«
    »Ach – Ihr glaubt wirklich, dass es vor Kristofluu anders war? All die Geschichten, die Ihr am nächtlichen Lagerfeuer erzählt von fliegenden Schiffen, wie Blitzen dahin brausenden Karren und dieser… dieser Teknikk… Ich zweifle, ob diese wundersamen Dinge der menschlichen Seele dazumal genutzt haben.« Burbetsh seufzte schwer. »Es ist Will Shags Berufung, in unseren dunklen Zeiten Schönheit dort ins Licht zu rücken, wo alle anderen Not und Elend sehen. Denn dies ist die wahre Kunst, die er uns tagtäglich vor Augen führt: selbst den erbärmlichsten und dumpfesten Gestalten ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern und sie für wenige Stunden Qual und Leid ihres Schicksals vergessen zumachen. Findet Ihr nicht, dass dieser Gedanke weit mehr wert ist als all die Schlachten, die im Namen einer besseren Zukunft geführt werden?«
    »Nun – da liegen Welten zwischen unseren Meinungen«, erwiderte Rulfan nachdenklich. »Aber ich muss zugeben, dass diese Ansicht etwas für sich hat…«
    »Na also!« Burbetsh hieb ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Ich sehe auch an Euch, dass Ihr die Veränderung genießt. Ich weiß schon – eines Tages, wenn Ihr Eure inneren Dämonen überwunden habt, werdet Ihr in die so genannte Wirklichkeit zurückkehren. Aber ich hoffe doch, dass Ihr etwas mit Euch nehmt und das Leben ein klein wenig anders betrachtet.«
    »Ich bin leider viel zu sehr Realist«, seufzte Rulfan. »Und ich bin offensichtlich Teil eines großen Planes, den ich noch nicht durchschaut habe. Meine wahre Bestimmung liegt woanders als hier in eurem fortwährenden Traum.«
    »Halt!«, rief Will Shag von der Spitze des kleinen Zuges.
    »Dort vorne werden wir das Lager aufschlagen.«
    »Aber hier gibt es doch gar nichts!«, sagte Rulfan zu Ritch, während die Wagen nach und nach anhielten.
    Er blickte sich um. Sanfte, schneebedeckte Hügel wurden nur vereinzelt von Baumgrüppchen unterbrochen. Der stetige Westwind, der ihnen seit Stunden das Vorwärtskommen erschwerte, war hier besonders stark zu spüren. »Wo wollt ihr denn ein Publikum her bekommen für die heutige Vorstellung?«
    »Macht Euch darum keine Sorgen, Master Rulfan«, antwortete Burbetsh lächelnd. »Heute ist eine besondere Nacht, und dies ist ein besonderer Ort.«
    »Ich kann nichts Aufregendes entdecken.«
    »Wartet ab, bis die Dämmerung hereinbricht. Bis dahin bitte ich Euch, so wie jeden Tag den Lageraufbau zu organisieren.«
    Rulfan nickte knapp.
    Er scharte die müden Kutscher, Statisten und Lagerarbeiter um sich und verlor augenblicklich das Interesse an der ungewöhnlichen Philosophie der Schausteller. So wie sie alle packte er kräftig mit an. Die Zugtiere, sehnige Wakudas, mussten getränkt und gefüttert werden. Ein Austrittsrinne wurde gegraben, Wachtposten für die Nacht eingeteilt, Bäume gefällt, Schlafstätten errichtet, Schlingfallen als Schutz gegen nächtliche Räuber präpariert, Bänke und Windschutz für die Zuschauer vorbereitet.
    Sartaks, die Wulfanin, vollbrachte als Köchin wieder einmal Wunder. Aus Wurzeln, einigen zähen Stücken Fleisch, trockenen Kräutern und sparsam eingesetzten Gewürzen bereitete sie in einem großen Kessel ein Süppchen, dessen herrlicher Geruch nicht einmal vom Wind vertrieben werden konnte.
    Nach getaner Arbeit setzten sich die Arbeiter und Schausteller stöhnend und mit schmerzenden Rücken nebeneinander auf die Bänke und genossen die letzten Sonnenstrahlen. Ein sich langsam dunkelblau und violett verfärbender Himmel, einzelne Schäfchenwolken und herrlich frische Luft brachten einen ersten Geschmack vom nahenden Frühling. Die dunkle Jahreszeit – sie näherte sich ihrem Ende, und die Menschen spürten es.
    Nicht nur die: Epigoon, der Guul, grub sich soeben unweit der behelfsmäßigen Latrine glücklich und mit lautem Grunzen in die Erde. Er speichelte, so wie immer, und hatte einen dicken Weißwurm aus seinem rechten Mundwinkel hängen.
    Begeistert winkte er Will Shag zu, der den Gruß erwiderte.
    »Schuppe!«, lispelte Sartaks und schöpfte Suppe aus ihrem Kessel in die hölzernen Gefäße. Auch sie wirkte entspannt wie selten zuvor und brummte eine kleine Melodie.
    »Es ist bald so weit«, sagte Hammet, der neben ihm saß, aufgeregt. »Seht Ihr die Himmelsboten?«
    Rulfan blickte hoch. Meinte

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