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137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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grandiose Leistung auf eine ganz spezielle Art und Weise zu danken.«
    Rulfan blickte nach rechts. Tatsächlich! Zwei junge Frauen standen dort. Sie flüsterten leise miteinander und kicherten dann verlegen hinter vorgehaltener Hand.
    »Auf, auf, Master Rulfan!«, sagte Will Shag. »Diese vier glühenden Augen verfolgten jede Eurer Bewegungen auf den Brettern, als wollten ihre Blicke Euch verschlingen.« Sanft schob er ihn in Richtung der beiden Wartenden. »Also widmet Euch ein wenig intensiver diesen prachtvoll anzusehenden Verehrerinnen; wir Schausteller haben schließlich einen Ruf zu verteidigen. Auch dies ist Teil unserer Botschaft. Kultur, Friede und Liebe möchten wir verbreiten, und Ihr tut gut daran, einige Samenkörner Eures Könnens da und dort in willige Gefäße einzupflanzen. Nun macht schon, lasst Euch nicht so drängen!«
    Sie waren beim Treppenaufgang angekommen. Die beiden Mädchen schätzten ihn grinsend von oben bis unten ab und entblößten dabei weiße und regelmäßig gewachsene Zähne, die nicht angespitzt waren. Rulfan wurde abwechselnd heiß und kalt.
    »Los jetzt, mein lieber Freund!«, fuhr Will Kemp fort.
    »Zieht Euer Schwert blank und stoßt zu. Voller Leidenschaft und für die Kunst!« Der Theater-Primmentor drückte ihn vorwärts, direkt in die Arme der beiden Frauen.
    Sollte er denn tatsächlich…? Die beiden schmiegten sich wie selbstverständlich in seine Arme und nahmen ihn mit sich, weg vom hell erleuchteten Marktplatz und hinein in die Dunkelheit, auf eine kleine, etwas abgelegene Hütte zu.
    Nun, sie wirkten sauber und gewaschen, zudem gerade gewachsen, hübsch – und ausnehmend willig.
    »Fegaashaa«, murmelte ihm das Mädchen zu seiner Linken ins Ohr und züngelte ihm lüstern über die Wange.
    »Duoo-fegaashaa«, sagte die andere. Ungeniert ließ sie ihre Hände auf Wanderschaft gehen.
    Nun gut. Wenn dies im Auftrag der Kunst geschah – wie konnte er sich dann verweigern?
    »Duoo-fegaashaa«, wiederholte er bestätigend und zog die Frauen fest an sich.
    ***
    Habe ich mit Rulfan Sex gehabt – oder nicht?
    Viele meiner Erinnerungen sind verschwommen und bedürfen dringender Aufarbeitung, Doch wem soll ich mich anvertrauen? Etwa Grimes, dem Octavian für Lebenswerte, der mich durch sein Verhalten bei der Abstimmung vor einem Monat dem Tod überantworten wollte?
    Nein!
    Diese Probleme müssen warten, bis ich wieder in London bin und mit Vertrauenspersonen sprechen kann.
    Eigentlich steht es mir frei, jederzeit in meine heimatliche Community zurückzukehren. Aber ich bin noch nicht bereit.
    Etwas hält mich zurück. Etwas, das Rulfan ›Instinkt‹ nennen würde.
    Ach ja: Meine Monatsblutung ist ausgeblieben…
    (Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Eve Neuf-Deville)
     
    5. Der Lange Mann
    Die Wochen vergingen wie im Fluge. Allmählich gewöhnte sich Rulfan an den ungewohnten Tagesablauf.
    Bühnenaufbau. Proben. Vorstellung. Intime Treffen mit begeisterten Verehrerinnen. Wenige Stunden Schlaf.
    Überhasteter Aufbruch und/oder Flucht vor wutentbrannten Vätern und/oder blutrünstigen Brüdern. Weiterreise.
    Ein endlos scheinender Kreislauf, gelegentlich unterbrochen von tölpelhaften Überfällen kleiner Barbarenhorden auf die Karawane, die dazu beitrugen, dass Rulfan in Form blieb.
    Je länger die Reise dauerte, desto mehr genoss er die unbeschwerten Tage. All die Probleme, die er sich gemacht hatte, all die Gedanken an Daa’muren oder Weltuntergangsszenarien – sie waren so weit weg, dass sie ihm kaum mehr wirklich erschienen.
    Doch was war mit den Spuren der Beeinflussung, die die Daa'murin Gu’hal’oori in ihm hinterlassen hatte? Saßen nach wie vor Sporen oder Viren in seinem Hirn? Konnte jederzeit ein Anderer der unheimlichen Invasoren auftauchen und ihn erneut willenlos machen?
    Verdrießlich kickte er einen faustgroßen Stein aus der matschigen Rinne, die einen Fahrweg darstellen sollte. Da waren sie wieder, die unheilvollen Gedanken, die ihn zermürbten und wie ein unheilvoller Schatten über seinem Leben hingen…
    Nein! Er war noch nicht bereit, nach London oder Salisbury zu gehen. Zuerst musste er mit sich selbst ins Reine kommen.
    Körper und Geist säubern, notwendiges Selbstbewusstsein wiedergewinnen.
    Im Nachhinein war er Rev’rend Thorn dankbar, dass er ihm diesen Weg gewiesen hatte. So ungewöhnlich seine Gesellschaft derzeit auch war – sie erlaubte ihm, die allmählichen Veränderungen auf der Erde in einem geschlossenen Mikrokosmos hautnah

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