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137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Angst zu lesen, aber auch helle Begeisterung. Robin Goodfellow stand neben ihm und grinste wie immer gnomenhaft.
    Fast alle der Schausteller schlugen sich nun mit der Rechten gegen die Brust, in einem immer rascher werdenden Tempo, und folgten dabei dem Rhythmus der Trommeln.
    Täuschte er sich – oder wurde es im Feld zwischen den Kuttenträgern heller? Zeichneten sich dort Linien ab, die im bleichen Mond silbern glänzten?
    Rulfan schüttelte den Kopf, wollte ihn klar bekommen.
    Doch es gab keinen Zweifel!
    Die Konturen eines Mannes erschienen wie hingemalt.
    Unwirkliches Licht drang unter den Linien hervor.
    Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte Rulfan das Schauspiel als Ergebnis einer Massenhysterie abgetan. Als billige Effekthascherei, die mit den technischen Beständen einer Community problemlos erzeugt werden konnte. Aber hier, in diesem Moment, erfassten ihn Zweifel.
    »Long Man of Wilmingtoon ist aufgewacht«, sagte Will Shag mit fester Stimme in Richtung der zusammenrückenden Schausteller. »So wie jedes Jahr feiern wir, zum letzten Vollmond vor der Frühlingswende, ein Fest zu Ehren der Alten. Manche von euch haben dieses Ritual noch nicht miterlebt. Ihr werdet bald verstehen, warum wir mit niemandem darüber reden. Warum wir dieses kleine Geheimnis für uns behalten.«
    Er verharrte kurz. Mittlerweile hatte der Wind nachgelassen.
    Will Shags Gesicht leuchtete im Licht der hellen Fackeln. »Am heutigen Tage danken wir den alten Göttern und ihren Dienern für die Kraft, die sie uns tagaus, tagein geben, damit wir die Welt mit unseren Künsten ein wenig erhellen dürfen. Erschreckt nicht vor dem, was ihr jetzt zu sehen bekommt; lasst euch unter keinen Umständen irritieren. Spielt so wie jeden Tag – nur besser, viel besser! Gebt alles, beweist den Alten Eure Dankbarkeit…«
    Long Man of Wilmingtoon… In Rulfans Kopf schwirrten alte und neue Geschichten durcheinander. Gelesenes und Erlerntes.
    Von Aberglauben geprägte Erzählungen, über Generationen weiter gereicht, die ihm seine Mutter vermittelt hatte. Auf der anderen Seite standen die Fakten aus den Büchern des Vaters, die er in Jugendjahren begeistert verschlungen hatte.
    Die Kreidegestalt, die im Feuer der Fackeln allmählich sichtbar wurde, galt als geheimnisvolles Objekt, das wahrscheinlich bereits vor der Besiedlungswelle der Angelsachsen höchste Verehrung durch keltische Druiden und Gläubige genossen hatte.
    Mehr als siebzig Meter hoch war der »Long Man«, in den weichen Kreidefelsen unter der dünnen Humusschicht geritzt und im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. In manchen Abbildungen mit nach außen gerichteten Füßen, dann wieder mit Werkzeug oder Instrumenten in Händen.
    »Mutter Wendell und die Ihren kommen zurück!«, rief Will Shag. »Richtet die Bänke für sie auf und begebt euch in Position. Enttäuscht mich nicht – und Hals- und Beinbruch!«
    Sie alle sahen sich paarweise an, spuckten sich gegenseitig über die Schultern, murmelten die üblichen Glückwünsche und begaben sich hinter die behelfsmäßige Bühne. Das Schauspiel begann von neuem…
    ***
    Endlich bewegt sich etwas!
    Nach nur wenigen kleinen Erfolgen gegen die Daa’muren gelingt es der Queen und Sir Leonard jetzt vermehrt, Struktur und Ordnung in den Verbund der Bunkergemeinschaften zu bringen. Insbesondere London und Salisbury haben nach Wochen des Misstrauens zu einer neuen, besseren Form der Zusammenarbeit gefunden.
    Der Datenaustausch der Communities soll endlich optimiert werden. Man will nicht mehr nur auf die ISS als Relaisstation angewiesen sein. Eine oder zwei EWAT-Besatzungen sorgen –
    je nach Kapazität – dafür, dass Kanäle für Glasfaserkabel quer durchs Land gegraben werden. Man bedient sich dabei einer veralteten, aber robusten Technik, die noch aus der Zeit vor
    »Christopher-Floyd« stammt.
    Macht das denn Sinn? Wird es die Erde, wird es die Communities in ein paar Monaten überhaupt noch geben?
    Die Wahl zum Nachfolger von Russ St. Neven findet übrigens erst in dreißig Tagen statt. Sir Leonard ist es unter Ausreizung aller Regeln und Kniffe gelungen, den Termin zu verschieben. Was er sich dadurch erhofft, bleibt allerdings rätselhaft.
    (Aus den handschriftlichen Aufzeichnungen von Eve Neuf-Deville)
     
    6. Ein Winternachts-Albtraum
    Alle Nervosität war vergessen, sobald Rulfan die Bühne betrat.
    Noch niemals zuvor war ihm die Rolle des Obron, König der Faeren, so leicht gefallen wie diesmal. Die schweren Reime sprudelten

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