Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
137 - Der trojanische Barbar

137 - Der trojanische Barbar

Titel: 137 - Der trojanische Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
er den Vollmond, der schon seit zwei oder mehr Stunden über ihnen stand?
    Nein! Da waren Sternschnuppen!
    Zuerst kamen sie nur vereinzelt, dann in immer größerer Anzahl. Wenn es nach dem Aberglauben der Wandernden Völker ging, war dies ein schlechtes Zeichen.
    Für die Schausteller aber offenbar nicht.
    »Sie kommen!«, murmelte einer von ihnen.
    Rulfan drehte sich um, während ringsumher Fackeln angezündet wurden. Die Nacht brach in rasender Schnelligkeit über sie herein – und genauso unvermittelt waren die Gestalten zwischen ihnen.
    Der Albino wollte aufspringen, seine Waffe zücken.
    »Bleibt ruhig sitzen«, flüsterte ihm Ritch Burbetsh hastig zu.
    Rulfan entspannte die Muskeln, blieb aber wachsam.
    Verdammt! Warum hatte ihn sein Instinkt nicht gewarnt?
    Warum hatte er niemanden kommen hören? Und: Wer waren diese unheimlichen Wesen?
    Sie alle trugen leinene Kutten, deren Kapuzen tief in die Gesichter hingen. Waren es Männer oder Frauen? Waren es überhaupt Menschen? Was wollten sie? Woher waren sie gekommen?
    »Ihr habt euer Versprechen gehalten«, sagte eine weibliche, zittrige Stimme. »So wie jedes Jahr. Das ist gut, gut, gut.«
    »Ja, Mutter Wendell«, entgegnete Will Shag, der als Einziger aufgestanden war und neben die vermutliche Anführerin der Kuttenträger getreten war, einer vom Alter gebeugten Gestalt, die sich müde auf einen knorrigen Stock stützte. »Ich halte stets mein Versprechen«, fügte er hinzu und beugte das Knie.
    »Du führst diesmal ungewöhnliche… Geister mit dir«, fuhr die Alte fort.
    »Ihr meint Sartaks, Epigoon und Abdanef…«
    »Nicht nur, nur, nur«, unterbrach die Frau. »Ich spüre auch einen verwirrten Geist, der mit sich selbst kämpft – und ein Wesen, dessen Seele ich nicht richtig greifen kann.«
    Beklemmende Ruhe entstand. Auch Will Shag schien nicht zu wissen, was er sagen sollte.
    Rulfan krampfte seine Hand um die Waffe. Er fühlte, dass von diesen vermummten Gestalten keinerlei Gefahr ausging – im Gegenteil. Aber was sollte diese Warnung? Täuschte er sich – oder hatte die Alte ihre Worte an ihn gerichtet?
    Fieberhaft sortierte er seine Gedanken. Der zerrüttete Geist – das konnte nur er selbst sein. Doch das andere Wesen… Was hatte das zu bedeuten?
    »Aber das sind Probleme, die nicht die Unseren sind, sind, sind«, fuhr die alte Frau namens Wendell fort. »Ich bitte dich, Will Shag, alles vorzubereiten. Sobald es gänzlich dunkel ist, soll die Vorstellung beginnen.«
    »Ja, Edle Frau«, entgegnete der Mann. »Es wird alles zu Eurer Zufriedenheit erledigt.«
    Die Kuttenträger entfernten sich lautlos, ohne ein Wort zu verlieren. In Zweierreihe marschierten sie aus dem Lager Richtung Osten, auf einen der Hügel zu.
    Seltsam. Es war, als würden ihre nackten Füße den Erdboden nicht berühren.
    Nackte Füße – zu dieser Jahreszeit?!
    »Will Shag, darf ich fragen…«
    »Später, Master Rulfan, später.« Der Anführer der Schausteller eilte an ihm vorbei. Er wirkte angespannt und hoffnungsfroh – aber auch seltsam abwesend.
    Bald darauf schallte seine kräftige Stimme über die Bühne, die diesmal besonders farbenfroh und liebevoll arrangiert worden war. Er gab knappe und präzise Anweisungen, hetzte die Schausteller hin und her, bereitete sie Mann für Mann auf ihre Auftritte vor.
    Wohin waren die Kuttenträger verschwunden? Rulfan sah sich um. Dort! Sie hielten sich an den Händen und bewegten sich hintereinander den Hügel hinauf. Da und dort entzündeten sie Feuer. Der Albino konnte sich nicht erinnern, bereitstehende Ölgefäße oder Reisigbündel gesehen zu haben.
    »Seht!«, rief eine jugendliche Stimme. »Es geht los!«
    Wer? Was?
    Leiser, anmutiger Gesang erhob sich. Die Kuttenträger summten mit feinen und dennoch kräftigen Stimmen eine Melodie, die von Tongs und Bones, primitiven Schlaginstrumenten, begleitet wurde. Getrommel setzte ein, voluminös und seltsame Vibrationen in seinem Magen auslösend. Das Echo hallte von den umgebenden Hügeln wider, vermischte sich zu einer Art Kanon. Es war Musik, die archaisch und bedrohlich, liebreizend und Angst einflößend zugleich klang. Wie etwas, das man noch nie in seinem Leben gehört hatte – und dennoch sofort wieder erkannte.
    Das Herz wollte Rulfan sagen, dass hier Dinge vor sich gingen, die ihren Ursprung in einer Zeit vor der Zeit hatten.
    Dies alles machte ihn zittern, ob er wollte oder nicht.
    »Er erscheint!«, rief Will Kemp von der Bühne her. In seinem verklärten Gesicht war

Weitere Kostenlose Bücher