1372 - Im Strudel des Bösen
uns in der Erinnerung geblieben.
Groß. Größer als die meisten Menschen. Mit dunkelblonden Haaren, die so lang wuchsen, dass er Mühe hatte, sie zu bändigen und sie im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Mit einem schlichten Gummi wurden sie zusammengehalten.
Der Mann trug dunkle Kleidung. Das registrierten wir wie nebenbei. Lange Arme, kräftige Hände, ein Gesicht, das einen scharfen Schnitt zeigte. Helle Augen, aber auch eine recht helle Haut mit einigen Sommersprossen.
Obwohl dieser Mensch, als er sich endlich aufgerichtet hatte, kein Wort sagte und auch sonst nichts tat, strahlte er etwas aus, das bei mir ein leichtes Kribbeln hinterließ. Ich spürte die Gefahr beinahe körperlich. Dieser Mann war trotz seiner gelassenen Bewegungen nicht zu unterschätzen. Typen wie er schafften es, sich von einem Augenblick zum anderen zu verändern. Dann ›explodierten‹ sie, und für die meisten der Gegner würde es schlecht aussehen.
Er stand so, dass er von uns beiden aus verschiedenen Richtungen angeschaut wurde. Er selbst bewegte sich nicht mehr. Doch er sah alles, seine Augen blieben nicht so starr. Sie beobachteten uns. Er würde sofort eingreifen, wenn ihm etwas nicht passte.
Was dieser Mann mit dem Besitzer des Hauses hier zu tun hatte, das wussten wir nicht. Man konnte sich vorstellen, dass er als Leibwächter fungierte. Er wäre genau der passende Typ gewesen.
Als mich Suko kurz anblickte, sah er mein Nicken. Ich hatte mich entschlossen, das Schweigen zu brechen und stellte mit leiser Stimme meine erste Frage.
»Wer sind Sie?«
Der Mann hob die Augenbrauen, bevor er die Antwort aussprach.
Nur gab er sie nicht in meinem Sinne, sondern sorgte dafür, dass er Bestätigung fand.
»Ich habe es hier also mit John Sinclair zu tun!«
Das leichte Zusammenzucken konnte ich nicht vermeiden. Die Überraschung war ihm gelungen.
»Stimmt. Und wer sind Sie?«
Er drehte nur seine Augen etwas, um Suko anzuschauen. »Dann sind Sie Suko!«
»Ja.«
»Sehr gut.«
Die Antwort mochte für ihn gelten, aber nicht für uns, denn ich fragte: »Und wer sind Sie?«
»Ich heiße Tilo.«
Es war gut, wenn jemand seinen Namen sagte. So etwas löste eine Spannung oder gewisse Feindseligkeiten immer auf.
»Und was noch?«, fragte Suko.
»Ich arbeite für den Professor.«
»Das hatten wir uns gedacht«, sagte Suko. »Als was denn?«
Tilo hob die Schultern. »Ich bin der Mann für so vieles.«
Mit der mehr als vagen Antwort konnten wir nicht viel anfangen.
Aber wir wunderten uns darüber, dass er uns kannte.
»Woher kennen Sie uns?«, wollte ich wissen.
Die Lippen des breiten Munds verzogen, sich zu einem Lächeln.
»Ich weiß, wer hier in London auf einer bestimmten Seite steht.«
Die Worte hörten sich für uns wieder ungewöhnlich an. Sogar rätselhaft, nur war die Spannung allmählich aus uns gewichen. Wir konnten ihn nicht mehr als einen Feind betrachten, der uns stören wollte. Egal, was er dabei tat.
»Und Sie gehören auch zu dieser Seite?«, wollte ich wissen.
Das dünne Lächeln blieb auf seinen Lippen. »Wer weiß…«
»Sind Sie ein Illuminate? Ein so genannter Erleuchteter?«
Seine Antwort bestand aus einem Rätsel. »Ist man als Mensch, wenn man auf der richtigen Seite steht, nicht sowieso schon erleuchtet?«
Da mochte er für seinen Part Recht haben. Ich allerdings hatte meine Bedenken. »Es kommt immer auf die Betrachtungsweise an. Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, dass mir die Erleuchteten, wie sie sich nennen, doch etwas fremd sind.«
»Das verstehe ich. Ihr seid verschieden. Die Illuminati streben nach der neuen Macht. Sie wollen die geistige Welt in ihrem Sinne verändern und all das über Bord werfen, was vielen Menschen bisher Halt gegeben hat. Sie sind auf der Suche nach etwas, das sich, sollte es sich je in ihrem Besitz befinden, zu einer gefährlichen Waffe werden kann, und deshalb gehen sie allen Hinweisen und Spuren nach. Es ist für sie ein Schatz, aber es ist kein Schatz aus Gold. Er besteht aus einem alten Buch, das sich Baphomets Bibel nennt.«
Ich schloss für einen Moment die Augen. Ja, das war es. Mein Hals wurde trocken. Ich sah mich wieder in Chartres, ich wurde an van Akkeren erinnert und auch an diese Bibel, die er dann besessen hatte, sich aber nicht an ihr erfreuen konnte, weil die Horror-Reiter erschienen waren und sie ihm abgenommen hatten.
Die Illuminati wussten ebenfalls, dass es dieses Buch gab. Sie brauchten es, es würde ihnen Macht über
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