1373 - Die vergessene Sage
unseren Freund Bill Conolly vor dem Tode zu bewahren. [1]
Jeder der zwölf Illuminati hätte seinen goldenen Dolch in Bills Körper gestoßen. Es war nicht dazu gekommen, aber wir hatten ihnen auch nichts beweisen können. Die meist einflussreichen Persönlichkeiten vor Gericht zu stellen, hätte für uns mit einer riesigen Blamage geendet. Ich hatte mir vorgenommen, trotzdem mit der Staatsanwältin Purdy Prentiss darüber zu reden, doch das hatte Zeit. Zunächst war Glenda Perkins viel wichtiger.
Das nächtliche London hatte mich geschluckt. Obwohl der Verkehr nie zusammenbrach, war er doch zu ertragen, und so brauchte ich nicht lange bis zum Ziel.
Ich fand auch eine freie Parklücke in der Straße und stieg mit einem mulmigen Gefühl aus dem Wagen.
Es war ruhig. Es war kühl. Der Wind wehte mich an wie ein geisterhafter Atemzug, als ich mich kurz umschaute und nichts Verdächtiges sah, was mir gefährlich hätte werden können.
Ich ging die wenigen Meter bis zu Glendas Haus, blieb dort stehen und schaute in die Höhe. Sie wohnte in der ersten Etage und hielt sich in ihrem Wohnzimmer auf, denn hinter der Scheibe des Fensters schimmerte weiches Licht.
Einen Schlüssel zum Haus oder zur Wohnung besaß ich nicht.
Glenda erwartete mich auch nicht an der Tür. So tauchte ich in die Türnische ein und klingelte.
Es dauerte meiner Ansicht nach recht lange, bis mir geöffnet wurde. Darüber wunderte ich mich auch. Eigentlich hätte Glenda mich erwarten und sofort öffnen müssen. Sie hatte sich jedoch Zeit gelassen. Möglicherweise war sie eingeschlafen.
Ich bemühte mich, die Erinnerung an den letzten Fall aus dem Kopf zu bekommen, was nicht ganz einfach war. Möglicherweise gab es sogar einen Zusammenhang zwischen ihm und meinem jetzigen Besuch bei unserer Assistentin.
Im Haus war die Ruhe eingekehrt. So bemühte ich mich, leise die Stufen hochzuschreiten. Ich ging davon aus, dass mich Glenda schon an der Wohnungstür erwartete und stellte mir vor, wie sie aussehen würde. Bestimmt durcheinander, aufgelöst, mit verweinten Augen. Sie trug an ihrem verdammten Schicksal. Uns allen war noch immer keine Lösung eingefallen, wie es verändert werden konnte. Irgendwann musste etwas geschehen. Glenda würde es seelisch gar nicht durchhalten. Bis zu ihrem Lebensende sollte sie auf keinen Fall mit diesem Druck herumlaufen.
Ich erreichte die erste Etage und fand die Wohnungstür geschlossen. Es stand auch niemand davor, der mich erwartet hätte.
Das machte mich noch misstrauischer. Dabei hatte Glenda es so eilig gehabt, mich zu sprechen.
Ich klopfte zweimal an die Tür.
Zuerst war nichts zu hören. Dann vernahm ich Glendas leise Stimme. Dabei hatte ich mein Ohr schon in die Nähe der Tür bringen müssen.
»Wer ist dort?«
»Ich.«
»Wer?«
»John!«
»Ja… Moment bitte.«
Der kurze Dialog hatte mein Misstrauen noch verstärkt. Das Blut stieg mir in den Kopf. Ich atmete tief durch, blickte mich auch um, ohne irgendetwas sehen zu können, das mich hätte beunruhigen müssen. Es blieb alles normal.
Die Tür wurde geöffnet. Nicht schnell und voller Freude, wie ich es mir vorgestellt hatte. Glenda zog sie behutsam nach innen wie jemand, der sehr misstrauisch ist.
Wir schauten uns an. Ich sah ihr Gesicht, lächelte, doch dieses Lächeln gefror auf den Lippen, als ich in Glendas Gesicht schaute und dort den erstaunten Ausdruck sah.
»Hallo«, sagte ich trotzdem so locker wie möglich und wollte die Tür aufdrücken.
Glenda hielt dagegen. Und dabei stellte sie eine Frage, die mich fast aus den Schuhen haute.
»Wer sind Sie?«
***
Nein, ich lachte nicht, obwohl mir das Lachen schon in der Kehle steckte. Ich glaubte auch nicht, dass mich Glenda in dieser Situation auf den Arm nehmen wollte. Sie hatte diese Frage in normalem Tonfall gestellt und mich verdammt hart getroffen. Das war kein Spaß, doch genau dies musste mir erst mal klar werden.
»Bitte, Glenda ich…«
»Wer sind Sie?«
Verdammt, das war echt. Ich musste mir die Kehle zunächst freiräuspern. »Glenda, bitte. Du musst jetzt nachdenken. Ich bin es. John Sinclair. Erkennst du mich nicht?«
Sie wiederholte meinen Namen flüsternd. Doch es hörte sich nicht so an, als könnte sie sich gut erinnern. Dabei schaute sie mir direkt ins Gesicht, doch auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck, der immer noch durch Abwehr und Misstrauen geprägt war.
Die Tür hielt sie fest. Zum Glück stemmte sie sich nicht dagegen.
Durch einen sanften Gegendruck
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