1388 - Die fliegenden Teufel
verkraften.
Für die Dauer einiger Sekunden blieb sie auf Händen und Knien hocken. Sie hielt den Kopf gesenkt und atmete zunächst durch.
Jane wusste, dass man sie ans Ziel gebracht hatte. Nur konnte sie nicht sagen, wo dieses Ziel lag. Jedenfalls war es um sie herum dunkel, und der Boden, auf dem sie kniete, war noch dunkler als die Umgebung, das hatte sie bereits erkannt.
»Mallmann?«
Jane erhielt keine Antwort.
Sie rief den Namen noch einmal. Diesmal lauter, doch auch jetzt hielt sich der Vampir zurück.
Jane wollte die Haltung nicht länger beibehalten und stand auf.
Dass sie dabei zitterte, ärgerte sie schon, aber sie kam nicht dagegen an. Nachdem sie stand, drehte sie sich um die eigene Achse, weil sie sich einen Überblick verschaffen wollte. Dabei krochen Eiskörner über ihren Rücken. Sie konnte zwar etwas sehen, aber was sie da zu sehen bekam, erfüllte sie nicht eben mit einem großen Optimismus.
Um sie herum lauerte die Dunkelheit. Allerdings war es keine wirkliche tiefe Schwärze, und die Umgebung erhellte sich auch leicht, als sich Janes Augen an dieses ungewöhnliche Licht gewöhnt hatten.
Sie sah Umrisse von leichten Erhebungen und Felsen, scharf gekantet, und es gab über ihr auch einen Himmel, der heller aussah als der Boden, auf dem sie stand.
Sie verglich den Himmel mit einer schwarzen Plane, die sich tief nach unten gesenkt hatte, die allerdings an einigen Stellen mit einer helleren Farbe bestrichen war. So mischte sich in das Schwarz des Himmels ein gewisses Grau.
Jane Collins war keine Frau, die schnell in Panik verfiel. Auch jetzt blieb sie ruhig und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Es stand fest, dass man sie entführt hatte. Sie kannte ihren Entführer.
Er hieße Will Mallmann. Er war ein Vampir, er hatte durch die Rückkehr des Schwarzen Tods eine große Niederlage einstecken müssen. Ihm war seine Welt genommen worden, doch nun war der Schwarze Tod durch John Sinclair vernichtet worden, und die Vampirwelt existierte noch immer.
Seine Welt. Ein Reich der Finsternis und des Todes!
Jane erlebte wieder das kalte Gefühl auf ihrem Rücken. Wenn sie sich umschaute, gab es nur eine Lösung für sie.
Mallmann hatte sie in seine Vampirwelt geschafft!
***
Eine Unperson wie Justine Cavallo war nicht leicht zu überraschen.
In diesem Fall allerdings zeigte sie sich schon erstaunt, und so schaute sie mich auch an.
»Jane Collins ist…?«
Ich nickte ihr zu. »Ja, Justine. Sie ist verschwunden!«
»Kann man da nicht besser gekidnappt sagen!«
»Auch das.«
»Mallmann also.«
Erneut nickte ich. »Er hat sich Jane geholt, da bin ich sicher. Und wir haben es nicht verhindern können. Perfekt, Justine, wirklich. Wir können uns das Lehrgeld zurückgeben lassen.«
Sie gab mir keine Antwort. Aber ich spürte, wie in mir allmählich die Wut hochsteigt. Nicht auf Justine, sondern auf mich selbst. Es gibt Momente im Leben, da hasst man sich. So erging es mir. Ich gab mir persönlich die Schuld an dem, was Jane zugestoßen war. Ich hätte besser aufpassen und nachdenken müssen.
Noch vor wenigen Stunden war ich der große Sieger gewesen, denn es war mir gelungen, den Schwarzen Tod zu vernichten.
Meine Freunde hatten mir dafür auf die Schultern geklopft, und in meiner Euphorie war ich dann zu Jane Collins gefahren, um auch ihr zu erzählen, wie alles gelaufen war. Alles klar bis dahin.
Nur hatte ich vergessen, dass es noch einen Will Mallmann gab, dem jetzt wieder die Vampirwelt gehörte. Und er konnte jetzt wieder frei agieren und war auf Assunga nicht mehr angewiesen.
Er hatte auch sofort die Initiative ergriffen. Er wollte die Weichen für die Zukunft stellen. Für seine Zukunft. Das war ihm gelungen, und ich – eben noch der große Sieger – war jetzt der Verlierer!
Hätte ich es wissen müssen?
Im Nachhinein ist man immer schlauer. Mallmann war wieder mal der Boss, und das hatte er Justine und mir verdammt eindrucksvoll bewiesen. Durch das Erscheinen seiner fliegenden Teufel hatte er auch sie abgelenkt, und so standen wir beide da wie die Narren, die man an der Nase herumgeführt hatte.
Auch Justine fühlte so. Sie gehörte zu den Blutsaugern, man konnte bei ihr nicht von Gefühlen sprechen, doch jetzt stand sie vor mir und hielt den Blick gesenkt wie jemand, der sich seine eigenen Unzulänglichkeiten vorwarf.
»Was sagst du dazu, Justine?«, maulte ich sie an. »Sag irgendwas, okay?«
Sie hob nur die Schultern.
»Toll«, sagte ich. »Ist das ein Eingeständnis,
Weitere Kostenlose Bücher