139 - Rätsel-Tempel des Dschinn
Stuhllehne, der
andere baumelte an der Seite herab.
Der Mann trug ein schlichtes, Kaftan
ähnliches Gewand. Es war braun-grau.
Ratten trippelten um seine Füße herum, liefen
über den Tisch und die Stuhllehnen ... und über den Reglosen hinweg, der dort
lag.
Mit lautem Brüllen, um die Ratten zu
verscheuchen, und mit heftig rudernden Armbewegungen stürmte der Araber in den
Raum.
Einige der Nager sprangen piepsend davon. Sie
huschten hinter große Bodenvasen, die in Reih und Glied an den Wänden standen,
verschwanden hinter Töpfen und Krügen oder sprangen sogar gewandt dort hinein,
um sich vor Licht und Eindringling zu verbergen.
Andere dagegen ließen sich überhaupt nicht
aus dem Konzept bringen, hockten träge auf dem Tisch und starrten aus böse
funkelnden Augen den Fremden an. Wieder andere beendeten sogar erst noch ihr
Mahl.
Es war ein richtiger Leichenschmaus.
Der Tote am Tisch war an Armen und Beinen, an
Schultern und-sogar an Kopf und Gesicht von scharfen Zähnen angeknabbert.
Es fehlten einige Finger, Stücke aus dem
Handgelenk und der Schulter- und Nackenpartie.
Achmed Chachmah trat und schlug einige Ratten
beiseite. Zwei, drei besonders fette Exemplare wischte er einfach mit scharfer
Handbewegung vom Tisch, so daß sie klatschend auf den schmutzigen, steinernen
Fußboden fielen.
Überall lag Kot, es stank wie in einem Stall.
Achmed Chachmah blickte dem Toten ins
angefressene Gesicht.
Es war noch zu erkennen.
Es war der Mann, den man ihm beschrieben
hatte und dessen Konterfei er auch auf zwei Fotos gesehen hatte, die Ali Akman
mit seiner Sofortbildkamera während der Hochzeitsfeierlichkeiten gemacht hatte:
Abdul Assard, der sich immer gewünscht hatte, ein reicher Mann zu sein.
*
Ein Zweifel war ausgeschlossen.
Und doch stiegen sie in X-RAY-18 auf.
Dieser Mann im Kaftan war schon längere Zeit
tot, seit mindestens vier oder fünf Tagen. Sein Körper war in Verwesung
übergegangen.
Abdul Assard aber war vor weniger als zwanzig
Stunden noch Gast im Hause Akbar Manods gewesen!
Das konnte aber - wenn man den Zustand der
Leiche berücksichtigte - nicht möglich sein.
Jemand mußte sich an Assards Stelle als jener
ausgegeben haben. Und zwar so perfekt, daß nicht mal seine engsten Freunde und
die Menschen, die oft mit ihm zusammen waren, ihn durchschaut hatten.
Und da war noch etwas, das in Achmeds Hirn
bohrte.
Auch dem Antiquitätenhändler, einem reichen
Kaufmann, schien nicht bekannt gewesen zu sein, in welchem Elend Abdul Assard
wirklich gelebt hatte.
Weder durch Worte noch durch entsprechende
Gedankenimpulse war Chachmah Derartiges bekannt geworden.
Dies hier aber war keine Behausung für einen
Menschen, der sein geregeltes Auskommen hatte, der von Manod bestimmt gut
entlohnt worden war für die geleistete Arbeit. Dies hier war mehr eine Höhle,
ein Stall... Und Abdul Assard war ein verkommenes Subjekt.
Hier stimmte einiges überhaupt nicht.
Achmed Chachmah war klar, daß er die Hütte
auf den Kopf stellen würde, in der Hoffnung, Antwort auf die eine oder andere
Frage zu erhalten.
Er war früh genug dran. Noch war es Morgen.
Und wenn es ihn den ganzen Tag kosten würde,
hier zu recherchieren. Er nahm es in Kauf. Nur wenn er soviel wie möglich über
das Leben erfuhr, das Abdul Assard wirklich geführt hatte, würde es vielleicht
gelingen, den Zipfel des Geheimnisses zu lüften und damit sein und das
Schicksal Hasan Kalomaks aus Bagdad.
Hier gab’s einen Zusammenhang.
Hasan Kalomak war Abdul Assards eifrigster
Gesprächspartner am Hochzeitstag von Fatima und Ali gewesen.
Hasan war als Opfer auserkoren worden, von
dem echten Abdul oder einem Doppelgänger?
Gab es hier im Haus Hinweise, die
ihm weiterhalfen? Hatte Assard Buch über sein
Leben oder seine Experimente geführt? Hatte er irgendwo seine Gedanken
festgehalten? War er des Schreibens überhaupt fähig gewesen?
Gab es Verstecke in den primitiven Möbeln, in
Geheimfächern der Wände oder in den Krügen und Flaschen, die massenweise hier
herumstanden?
Die Öffnungen der Krüge und Vasen, die
Chachmah als erstes unter die Lupe nahm, waren nicht verschlossen. Es gab
allerdings eine große Zahl versiegelter und verpfropfter Flaschen. Zum Glück
waren die meisten durchsichtig, und er konnte hineinsehen. Er wagte es
angesichts der Unsicherheitsfaktoren, die diesen seltsamen und über alle Maßen
mysteriösen Fall begleiteten, nicht, verschlossene Flaschen zu öffnen. Er war
erfahren genug, um zu wissen, daß in
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