1391 - Die Nacht des Pfählers
nicht mehr weiterging und eine gespannte Haltung annahm. Als ich vor ihr stehen blieb, bekam sie sofort die Erklärung von mir. Sie wusste sehr schnell, wer ich wahr, und auch Frantisek hatte meine Stimme gehört.
Zum ersten Mal regte er sich, und er hob langsam den Kopf. Wir schauten uns an. Der Nebel störte nicht mehr, denn wir standen zu dicht beisammen. In Mareks Gesicht malte sich ein Ausdruck ab, den ich nicht erklären konnte. Aber ich sah auch etwas anderes in seinen Augen. Es war der Blick des Triumphes. Wenn ein Mensch auf etwas gewartet hat oder sich etwas Bestimmtes wünschte und es endlich bekommt, dann schaut er so oder so ähnlich.
Ich wollte ihn ansprechen und verschluckte meine Worte, denn er kam mir zuvor. Dabei sah ich plötzlich Tränen in seinen Augen, und er flüsterte mir in einer schon fremd klingenden Stimme zu:
»Ich habe es geschafft, John…«
»Was hast du geschafft.«
Frantisek streckte seinen Arm aus. Er legte mir die rechte Hand schwer auf die Schulter, als wollte er sich daran festklammern.
»Er ist weg! Vernichtet!«
»Wer ist weg? Wer?«
Der Pfähler nickte heftig, bevor er Antwort gab. Wie eine Statue stand Marina neben ihm. Sie tat nichts und überließ ihm das Feld.
»Mallmann…«
Ich war einfach zu verwirrt, sodass ich nicht sofort begriff. »Was meinst du genau mit Mallmann?«
»Ich habe ihn vernichtet!«
Es waren nur vier Worte, die er mir da sagte, die ich zudem noch begreifen musste. Ich hatte Frantisek genau verstanden, aber ich konnte es nicht richtig fassen, und in meinem Kopf wiederholte sich die Botschaft immer und immer wieder.
Dracula II war vernichtet!
Nein, so einfach konnte das nicht sein. Mallmann war kein normaler Vampir, den man mit einer geweihten Silberkugel erschoss oder den man sonst wie killte. Das war einfach nicht drin, nicht möglich. Ich glaubte nicht daran.
Ich schaute Frantiseks blonde Begleiterin an.
Sie sah mir die Frage an und hob sofort die Schultern. »Tut mir Leid, aber ich kann dazu nichts sagen. Ich bin keine Zeugin gewesen. Ich habe ihn nur hergeschleppt.«
»Er ist in der Hölle, John«, flüsterte Frantisek. »Ja, er ist in der Hölle. Darauf kannst du dich verlassen…«
***
Konnte ich das wirklich? Musste ich jetzt davon ausgehen, dass ein weiterer Supergegner aus dem Feld geschlagen war? Dass plötzlich alles so einfach ging?
Es war besser, wenn wir ins Haus gingen, und das schlug ich auch vor.
Marina hatte nichts dagegen. Sie überließ mir meinen Freund, und diesmal stützte ich Frantisek. Ich sprach nicht, ich nahm ihn einfach mit und merkte auch jetzt, dass er Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten. Er ging schwer und schleppend, ich hörte seinen Atem pfeifen und fragte mich auch jetzt, was ich von seiner Erklärung halten sollte.
Hatte er es wirklich geschafft, Will Mallmann zu vernichten? Ich konnte es kaum glauben, obwohl auch die schwierigsten Probleme manchmal sogar von selbst lösten.
Wie verbissen hatte ich Dracula II gejagt! Wie oft hatten wir uns gegenübergestanden, und es war zu keiner Entscheidung gekommen. Und nun erschien unser Freund Frantisek Marek und erklärte, dass er diesen Supervampir erledigt hatte. Zur Hölle geschickt, wie er sagte. Erlöst, so würde ich es nennen, denn Mallmann war einst ein Mensch gewesen und ein sehr guter Freund, und ich bezweifelte, dass er im Höllenfeuer schmorte.
Auch weiterhin stützte ich Frantisek ab. Seine Schritte waren und blieben schwer. Er schleifte mit den Sohlen über den Boden hinweg, knickte manchmal ein und sagte plötzlich:
»Es war die Hölle.«
»Okay. Aber jetzt bist du in Sicherheit.«
»Der Himmel hat wohl mein Flehen erhört.« Marek hustete trocken und konnte danach leise lachen, denn er hatte sein Haus gesehen, auf das wir zuschritten und hineingingen in den blassen milchigen Schein der mondähnlichen Außenleuchte.
Vor der Tür warteten Suko und Dunja. Sie hielt es nicht mehr länger aus und lief auf ihre Freundin zu. Beide lagen sich in den Armen, während Marek und ich ins Haus gingen.
»Du bist ja auch da!«, sagte der Pfähler mit schwacher Stimme zu Suko und lächelte matt. Er schaffte es nicht, seine Tränen zu unterdrücken. Es war zu viel für ihn. Im Haus setzte er sich an den Tisch.
Er holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte die Nase.
Es war heller in dieser Umgebung. Erst jetzt sah ich, wie er aussah. Seine alte Jacke schien als Teppich benutzt worden zu sein, auf dem sich jeder seine Füße abgewischt hatte.
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