1391 - Die Nacht des Pfählers
Daran klebte der Dreck ebenso wie die Blätter, und auch sein Gesicht war schmutzig und verschmiert.
»Brauchst du einen Schluck?«, fragte ich ihn.
Marek nickte.
Die Flasche stand noch auf dem Tisch. Das Glas auch, aus dem ich getrunken hatte. Inzwischen hatten auch die beiden Hexen das Haus betreten. Sie hielten sich allerdings im Hintergrund und kamen auch nicht vor bis zum Tisch.
Ich hatte das Glas recht voll geschenkt. Marek nahm es zwischen seine Hände. Das musste er tun, weil er zu stark zitterte. Er trank langsam, und wir wollten ihn nicht stören.
Natürlich war Suko neugierig, und so wandte er sich mit seiner Frage an mich.
»Was ist denn passiert, John?«
»Mallmann… Er ist vernichtet!«
»Was?« Suko schüttelte den Kopf. Seine Reaktion war verständlich. Er empfand die Behauptung als ebenso unglaublich wie ich und war zunächst mal sprachlos.
»Er sagt es.«
»Aber wie ist das möglich? Mallmann ist… Zum Teufel, der ist der Vampir überhaupt. Seine Macht ist fast grenzenlos. Ich kann es nicht fassen, dass Frantisek so etwas behauptet.«
»Ich habe mich nicht verhört.«
»Ja, ja, ich glaube dir. Trotzdem ist es für mich der reine Wahnsinn. Da komme ich einfach nicht mehr mit. Was haben wir uns all die Jahre angestrengt, und jetzt passiert es einfach. Das kann ich einfach nicht nachhalten.«
»Setzt euch doch!« Der Pfähler bat uns darum, und wir folgten seiner Bitte. Er winkte auch die beiden Hexen heran, denn sie sollten ebenfalls jedes Wort hören, was er zu sagen hatte.
»Ihr glaubt mir nicht, was?«
»John erzählte mir, dass du…« Der Pfählerhob die Hand. »Sprich es nicht aus, Suko. Ich weiß ja, dass ihr skeptisch seid. Das ist auch verständlich. Ich wäre es ebenfalls an eurer Stelle, und wenn ich ehrlich bin, kann ich es noch immer nicht glauben, was mir da gelungen ist. Aber ich habe euch nicht angelogen. Ehrlich nicht. Das ist wirklich so passiert. Ich habe Mallmann vernichtet. Ich habe ihn gepfählt!«
Jetzt war es heraus, und das letzte Wort hatte er besonders betont.
Gepfählt. So war es seine Art. Deshalb hatte er auch seinen Kampfnamen.
Aber Mallmann war kein normaler Vampir. Er stand weit über den anderen Blutsaugern. Genau darum hatten wir unsere Probleme, an Mareks Worten zu glauben.
»Gepfählt?«, flüsterte ich.
»Genau.«
»Und das ging so einfach?«
»Nein, ging es nicht. Es war die Hölle, aber ich muss eine kleine Armee von Schutzengeln haben, sonst hätte ich es nicht geschafft. Wenn mir das jemand vor zwei Tagen gesagt hätte, ich hätte ihn ausgelacht. Aber es stimmt.«
»Wo passierte es?«, wollte Suko wissen.
»Im Wald.«
»Kannst du von Beginn an berichten?«
Marek konnte wieder lächeln. »Das werde ich, Freunde.« Er räusperte sich und brauchte noch eine Zeit, um seine Gedanken zu sammeln. Dann fing er an zu reden.
Es war eine Geschichte, die unglaublich klang, aber diesen Begriff hatten wir aus unserem Repertoire gestrichen. Es gab nichts Unglaubliches. In dieser Welt passierte einfach alles. Es waren positive und auch negative Ereignisse, die da zusammentrafen, und es gab auch eben diese ungeheuerlichen, die wir jetzt aus dem Mund unseres Freundes Frantisek Marek erfuhren.
Frantisek sprach nicht flüssig. Immer wieder stockte er und schüttelte den Kopf, als könnte er selbst nicht fassen, was er erlebt hatte. Als wir die Details hörten, da wurde uns klar, was da passiert war. Hier hatte der Wahnsinn Gestalt angenommen, und die Realität hatte den Wunschtraum überholt.
»So ist es dann gewesen«, erklärte Marek und griff zur Flasche.
»Ich habe einige Blessuren abbekommen, aber das lässt sich verkraften. Jedenfalls kann ich behaupten, dass ich den größten Sieg in meinem bisherigen Leben erlebt habe.«
Er hatte mit einer so großen Selbstverständlichkeit gesprochen, dass wir es nicht wagten, etwas dagegen zu sagen. Alles stimmte perfekt, doch wir waren noch zu erstaunt, um ihm zu gratulieren.
Mach einer Weile fanden wir die Sprache wieder, und ich murmelte: »Es ist im Wald passiert. Bei Nacht und Nebel.«
»Klar.«
»Würdest du den Ort wiederfinden, Frantisek?«
Der Pfähler schaute mich an. Seine Augen waren jetzt klar. Die Tränen waren getrocknet, sein Blick war nicht weiterhin verschleiert. »Ja, das würde ich, John, aber nicht in dieser Nacht und bei diesem Zustand. Wenn es hell wird, schon. Zum Glück kannte ich die Richtung, sodass wir den Wald verlassen konnten, und ich bin Marina dankbar, dass sie mich
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