1395 - Das Vermächtnis des Vaters
sie waren zudem noch feucht und glatt.
Ich schaute mich immer wieder um und versuchte mir vorzustellen, wo ich jetzt war. Dabei verglich ich die Ruine mit dem Haus, wie es gewesen war. Es ist schlimm, wie schnell ein Mensch vergisst, und auch ich hatte Mühe, mich wieder zurechtzufinden.
Da das Dach eingestürzt war, lagen mir seine Trümmer direkt im Weg. Ich konnte sie nur schlecht umgehen, wenn ich zum Kellereingang wollte. Damals hatte es eine Tür gegeben, hinter der der Beginn einer Treppe zu finden war.
Jetzt war die Tür nicht mehr vorhanden. Dafür lagen dort verkohlte Dachbalken, die auch nicht mehr rochen und von einer grünen Schicht bedeckt waren.
Oft wurde ich ja durch mein Kreuz gewarnt, wenn Gefahr für mich drohte. Dann gab es einen Wärmestoß ab. Das war bisher nicht passiert. Nach wie vor hing es vor meiner Brust, ohne sich zu ›melden‹.
Es bestand also keine Gefahr für mich. Aber hundertprozentig sicher war ich mir nicht.
»Bist die weitergekommen?«, rief Jane.
»Kaum.«
»Aber du bleibst am Ball – oder?«
»Ich werde es versuchen.«
Zunächst mal musste ich nach dem Eingang zum Keller suchen.
Mit bloßen Händen war das recht schwierig, und um die mächtigen Balken und Steine wegzuräumen, fehlte mir einfach die Kraft. Das würde ich auch nicht mit Jane Collins’ Hilfe schaffen.
Es war kein Zufall, der mir zu Hilfe kam, sondern eine schlichte Entdeckung. Mein Blick war auf einen handlichen Balken gefallen, der nicht so schwer aussah und auch nicht unbedingt stark angekohlt war. Ihn konnte ich als Hebel benutzten, um einige Hindernisse zur Seite zu räumen, die mir im Weg lagen.
Ich packte es an und war mir auch sicher, dass ich an der richtigen Stelle suchte. Ich schaufelte Reste weg, schob kleinere Steine zur Seite. Die höheren Mauerreste befanden sich nicht in meiner unmittelbaren Umgebung. Dafür lag hier mehr Holz, die Reste das Dachausbaus, die erst weg mussten.
Auch das bekam ich hin. Ab und zu bot sich Jane Collins als Helferin an, was ich allerdings ablehnte.
Ich schaffte es tatsächlich, den Zugang zum Keller freizulegen.
Dabei kam mir auch das Glück zu Hilfe, denn einige Reste aus dem Dach waren so gefallen, dass sie quer über dem Loch lagen und den nachfolgenden Trümmern den Weg versperrt hatten. So hatte nicht allzu viel Schutt in den Keller hineinpoltern können, und als ich mit der kleinen Lampe leuchtete, stellte ich fest, dass die Treppe relativ frei lag.
Ich räumte nicht alle Balken zur Seite, die über dem Loch lagen, sondern nur so viele, dass ich Platz genug hatte, um in den Keller hineinzuklettern.
Bevor ich das tat, drehte ich mich noch mal zu Jane Collins um.
Sie stand weiterhin an derselben Stelle und schaute mir zu.
»Ich gehe jetzt runter, Jane!«
»Hast du denn Platz genug?«
»Ja.«
Sie kam langsam vor. »Soll ich nicht doch mit dir gehen?«
»Nein, nein, bleib mal hier. Das ist besser für dich.«
»Aber ich komme zu dir!«
»Wie du willst.«
Sie kletterte ebenso wie ich über die Trümmer hinweg, fluchte manchmal über die beschwerliche Wegstrecke und erreichte mich schließlich. Auch sie schaute zu Boden, sah die Öffnung und stellte fest, dass sie sehr klein war.
»Reicht sie denn aus?«
»Klar.«
Jane nickte und atmete scharf aus. »Okay, dann wünsche ich dir viel Glück.«
Ich lächelte. »Der Keller ist mir ja nicht fremd. Ich war schon einige Male dort unten.«
»Ach. Und an was kannst du dich erinnern? Was hast du dort unten gesehen?«
»Es war mehr der Bereich meiner Mutter. Sie kochte auch ein. Und ihre Gläser mit Gemüse und Obst sowie ihre Konfitüren hat sie dort unten aufbewahrt. Ich bin mal gespannt, was ich davon noch finde.«
»Aber das suchst du nicht wirklich.«
»Nein.«
»Was war mit deinem Vater? Hat er sich für den Keller nicht interessiert?«
»Doch. Aber er hat praktisch immer abgewinkt, wenn ich ihn danach fragte. Er sprach von alten Akten, die er nicht vernichtet hat. Außerdem hat er Zeitschriften gesammelt und sie zu Jahrgängen zusammengebunden. Es war sein Hobby.«
»Papier, John. Darauf brauchst du nicht zu setzen. Das ist verbrannt.«
»So denke ich auch.«
»Aber du willst trotzdem runter?«
»Klar. Und daran bist du mit seiner Botschaft schuld. Alles andere wird sich ergeben.«
»Und was ist mit deinem Kreuz?«
Ich lächelte sie an. »Keine Sorge, es hat sich nicht gemeldet.«
»Na ja, wenigstens etwas.« Es waren die letzten Worte, die Jane vor meinem Abtauchen
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