1399 - Ich, der Henker
Frage.«
Ich aß den Lachs. Er schmeckte mir. Danach trank ich einen Schluck Wasser und erklärte, dass es für Justines Erscheinen einen Grund geben musste.
Ich beugte mich meinem Gegenüber zu. »Da ist noch etwas gewesen. Als Justine durch die Scheibe schaute, habe ich gesehen, dass ihre Lippen von einem Blutbart umgeben waren.«
Purdy sagte nichts. Sie weitete nur die Augen und musste sich erst fangen. »Das… das … würde bedeuten, dass sie erst vor kurzem frisches Blut getrunken hat!«
»Das denke ich auch.«
»Meine Güte!« Purdy schüttelte den Kopf. »Hast du denn niemals Ruhe?«
»Sieht so aus.«
Die kleinen Teller wurden abgeräumt, und wir lobten den netten Gruß aus der Küche. Dann erschien mal wieder der Besitzer, der tatsächlich Franzose war, und erklärte uns, dass die Suppe perfekt werden würde. Er war davon überzeugt, dass wir alle Regionen aus dem Mittelmeer hervorschmecken konnten, aber die große Vorfreude war mir vergangen.
Das traf nicht nur auf mich zu, auch Purdy Prentiss schaute jetzt anders. »Es ist wohl dein Schicksal, dass dich der Beruf niemals loslässt.«
»Da hast du Recht«, antwortete ich.
»Egal, wo ich mich aufhalte, irgendwas passiert immer.«
Die Suppe servierte der Chef selbst. Seine Mitarbeiterin stellte nur die tiefen Teller vor uns. Das Essen selbst befand sich in einer Schüssel mit einem Deckel. Eine Schöpfkelle hatte Armand – so hieß der Besitzer – ebenfalls mitgebracht. Vorsichtig tauchte er sie ein und begann, den Teller der Staatsanwältin zu füllen.
Als Beilage gab es frisches Stangenbrot, und Armand wünschte uns mit glänzenden Augen einen guten Appetit.
»Danke, den werden wir wohl haben«, erklärte Purdy.
Zu den Löffeln gab es auch normales Besteck, um die Fische zerkleinern zu können.
Wir bekamen wirklich all das zu schmecken, was das Meer hergab. Schalentiere ebenso wie kleine, bissfeste Fischstücke.
Nach den ersten Bissen schaute wir uns an. Jetzt war Justine Cavallo vergessen.
»Und?«
Ich schüttelte den Kopf und verdrehte leicht die Augen. »Die Suppe ist einfach phänomenal, ehrlich.«
»Das freut mich.«
Als wir mit unserer Mahlzeit fertig waren, schauten wir uns an und nickten uns gegenseitig zu.
»War das eine tolle Idee, John?«
»Und ob. Ich bin begeistert.«
»Ich habe das Lokal nur durch einen Zufall entdeckt. Nach einem langen Tag am Gericht war ich mal völlig abgeschlafft, und da habe ich dieses Essen wirklich genossen. Und solltest du nicht satt geworden sein, Armand zaubert auch köstliche Desserts.«
»Nein, nein, um Himmels willen. Ich will mich ja nicht mästen.«
»Mir reicht es auch. Allerdings könnte ich noch einen Espresso vertragen.«
»Da sage ich nicht Nein.«
Wir ließen uns noch ein wenig Zeit mit der Bestellung. Natürlich war die Atmosphäre zwischen uns nicht mehr so locker. Unsere Gedanken drehten sich auch wieder um Justine Cavallo.
»Du denkst noch an sie.«
»Klar«, gab ich zu.
»Und? Hast du bereits eine Lösung gefunden?«
»Nein, Purdy. Aber ich ahne oder weiß, dass da noch was auf mich zukommt. Die Cavallo muss existieren, und dafür muss sie Blut trinken.«
»Genau, John. Danach wollte ich dich immer mal fragen. Wo holt sie sich das Blut eigentlich her?«
»Natürlich von Menschen.«
Purdy war etwas echauffiert. »Ja, das habe ich mir gedacht. Aber mich würde auch interessieren, was dann mit diesen Menschen geschieht?« Sie schüttelte den Kopf. Auf ihren Wangen erschienen rote Flecken. »Ich kann oder will mir nicht vorstellen, dass diese armen Menschen als Vampire durch die Welt laufen.«
»Das tun sie auch nicht. Wenn Justine ihr Blut getrunken hat, bringt sie die Personen um.«
»Ah, verdammt!«
»Ja, das ist leider so. Ich kann dir die ganze Wahrheit nicht ersparen, wenn du mich schon danach fragst. Wir müssen uns damit abfinden. Es fällt auch nicht auf. Denk nur daran, wie viele Menschen im Großraum London täglich verschwinden. Einige tauchen wieder auf, andere nicht. So ist das.«
»Und wenn du die Cavallo tötest?«
Ich dachte zunächst über meine Antwort nach. »Das wird irgendwann bestimmt passieren, Purdy. Das weiß sie auch, und sie würde auch gern mein Blut trinken, aber irgendwie sind wir aufeinander angewiesen. Da hat uns das Schicksal zusammengeschweißt.«
»So muss man es wohl sehen.«
Unser Espresso war auch getrunken, und Purdy bat um die Rechnung. Sie wurde auf einem Silbertablett serviert, das Armand persönlich auf den Tisch
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