1399 - Ich, der Henker
Beginn an klar ist, John; Die Rechnung übernehme ich.«
»Oh, danke.«
Purdy rückte ihren Stuhl zurück und bat mich, sie zu entschuldigen. Sie wollte sich nur ein wenig frisch machen.
Ich schaute ihr nach, wie sie mit festem Gang durch das Restaurant schritt. Sie trug ein grünes Winterkostüm, darunter eine Bluse in der gleichen Farbe, aber etwas abgemildert, und schwarze Schuhe mit nicht zu hohen Absätzen.
Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Die Staatsanwältin war wirklich eine Frau von Format. Eigentlich gab es in meinem Freundeskreis nur weibliche Personen, die Format hatten und wusste, wie sie das Leben meisterten.
Ob es nun Glenda Perkins war, Sheila Conolly, Shao bis hin zu der Tierärztin Maxine Wells, die in Dundee lebte und dort ihre Praxis betrieb, wobei sie sich noch um das Vogelmädchen Carlotta kümmerte.
Da ich schon mal am Fenster saß, tat ich mir selbst den Gefallen und schaute hinaus.
Viel war natürlich nicht zu sehen. Zwischen dem Bistro und der Straße befand sich so etwas wie ein Vorgarten. Im Sommer sicherlich eine Oase für die Augen. In dieser Jahreszeit allerdings sah er ziemlich traurig aus, da hingen keine Blätter mehr an den Gewächsen. Sie wirkten einfach nur wie kahle Stangen.
Plötzlich sah ich noch etwas.
Eine Gestalt.
Nein – ein Gesicht!
Nicht weit von der Scheibe entfernt.
Ein offener Mund, von einem Kranz aus frischem Blut umgeben.
Diese Person kannte ich. Es war…
Justine Cavallo!
***
Plötzlich war das Gesicht weg!
Einbildung oder nicht?
Nein, verdammt, ich hatte es mir nicht eingebildet, auch wenn ich die blonde Bestie jetzt nicht mehr sah. Sie war abgetaucht und verschwunden.
Ich atmete scharf aus und schüttelte den Kopf.
Es war wirklich keine Täuschung gewesen. Ich hatte sie gesehen.
Verdammt, das bildete ich mir doch nicht ein!
Ich kümmerte mich nicht darum, dass Purdy noch nicht zurückgekehrt war, sondern stand auf und ging mit zügigen Schritten dem Eingang entgegen.
Ich ging ins Freie, wo mich erst mal der Wind packte. Der Weg durch den Vorgarten war beleuchtet.
Ich lief bis zu dem Fenster, hinter dem ich mit Purdy im Lokal gesessen hatte. Da war natürlich nichts mehr zu sehen, aber es gab noch den Boden davor.
Wäre der Untergrund gefroren gewesen, hätte ich mir die Mühe nicht erst zu machen brauchen. Aber er war weich, so suchte ich im Licht meiner Leuchte nach Spuren.
Ich glaubte nicht daran, dass Justine barfuß gelaufen war. Trotzdem waren keine Abdrücke zu sehen, und das lag nicht an der Beschaffenheit des Bodens, sondern an dem Laub, das der Wind dort hingeweht hatte. Ich leuchtete es einige Male ab, doch Spuren fand ich nicht.
Keine Spur von Justine Cavallo. Trotzdem war ich sicher, dass ich mich nicht getäuscht hatte oder mich ihr Bild schon als Tagtraum verfolgte. Sie war gekommen, sie hatte durch das Fenster ins Lokal geschaut, doch jetzt war sie weg.
Ich schaute mich trotzdem noch um, ging auch zur Straße, aber den Weg hätte ich mir sparen können. Etwas allerdings bereitete mir Sorge. Ich dachte an Justines blutbeschmierten Mund. Das Blut hatte ausgesehen, als wäre es sehr frisch gewesen.
Was konnte das bedeuten?
Justine Cavallo hielt sich in meiner Nähe auf, um mich zu beobachten, aber was war der Grund dafür? Hing er mit meinem Besuch in Rumänien zusammen, wo ich auf Dracula II getroffen war?
Ich wusste es nicht, aber ich würde Purdy Prentiss informieren.
Dabei hoffte ich, dass mir die Suppe trotz allem noch schmeckte.
Ich betrat das Lokal wieder und ging zu unserem Tisch, an dem Purdy bereits wartete.
Ihr Lächeln wirkte leicht aufgesetzt, als sie mich sah. Sie sprach mich erst an, als ich mich gesetzt hatte.
»He, bist du draußen gewesen?«
»Richtig.«
»War es dir hier zu warm?«
»Das nicht, Purdy. Aber ich habe jemand gesehen.«
»Wo? Hier?«
»Nein.« Ich deutete auf das Fenster. »Dort!«
»Ach!«
»Es war Justine Cavallo.«
Purdy schluckte. »Die blonde Bestie?«
»Eine andere Justine Cavallo kenne ich nicht.«
»Das ist ein Hammer.«
Man brachte uns einen kleinen Gruß aus der Küche. Auf einem winzigen Teller lagen Lachs und Forelle nebeneinander und konnten durch zwei verschiedene Soßen verfeinert werden.
Wir aßen noch nicht. Purdy musste erst die Nachricht verdauen, bevor sie sich wieder dem Essen widmete. Sie fragte sicherheitshalber noch mal nach.
»Und du hast dich nicht geirrt, John?«
»Ich leide nicht an Halluzinationen.«
»Sorry, war ja nur eine
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