1399 - Ich, der Henker
sagte: »Man kann nicht immer gewinnen!«
Ich musste lachen.
»Findest du es spaßig?«, fuhr sie mich an.
»Bestimmt nicht. Aber was geschehen ist, zeigt uns, dass man immer mit dem Joker rechnen muss. Saladin hat sich lange zurückgehalten. Er ist selten ohne Partner, jetzt hat er sich wieder einen gesucht.«
Justine verengte die Augen. »Ausgerechnet Saladin.«
»Du sagst es«, antwortete ich trocken.
»Und was kann das bedeuten?«
Sie war wohl durcheinander, sonst hätte sie sich selbst die Antwort gegeben. So aber sprach Jane Collins für sie. »Es bedeutet, dass der Kampf um die Vampirwelt noch längst nicht entschieden ist. Assunga und ihre Hexen werden sich warm anziehen müssen.« Sie schaute zuerst Justine an, dann mich. »Was übrigens auch für uns gilt, denke ich.«
Ich konnte leider nicht widersprechen. Ich warf noch einen letzten Blick in die Runde, sah die Gitter und dachte daran, dass ich mich hier alles andere als wohl fühlte.
Schweigend verließ ich die Zelle, in der ich zum Henker hatte werden sollen.
Jane folgte mir. Nur die Cavallo blieb noch zurück. Sie stand im Käfig, drehte den Kopf und schien sich von diesem Ort nicht trennen zu können.
Jane lehnte sich gegen mich. Sie schloss dabei die Augen. Um die Hexen in unserer Nähe kümmerten wir uns nicht. Sie waren und blieben Staffage. Ob sie sich weiterhin in dieser Welt aufhalten sollten, das würde Assunga entscheiden. Es würde jedenfalls nicht leicht für sie sein, die Vampirwelt zu erobern, denn Saladin und Mallmann gaben niemals auf.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte mich Jane.
»Was wohl? Ich will so schnell wie möglich weg aus dieser Dimension.«
»Also zur Hütte?«
»Ja, zu ihr und zum Spiegel.«
»Wenn das Tor offen ist.«
»Das wird es sein, Jane. Lass uns gehen.«
»Noch nicht. Wir warten auf Justine.«
Sie hatte ihren Namen gehört und verließ den Käfig. Sie sah wieder aus wie immer. Emotionen zeigten sich nicht mehr auf ihrem Gesicht. Als sie nahe genug heran war, fragte ich: »Wohin?«
»Nach Hause.«
Ich grinste sie an. »Und wo ist das?«
»Frag noch so dumm und komm! Es bleibt alles beim Alten, John. Oder fast«, murmelte sie und machte sich auf den Weg.
Jane meinte: »Da kann man wohl nichts machen – oder?«
»Genau, du sagst es. Alles andere wird sich ergeben…«
***
Das Lachen hörte sich scharf und überheblich an, und es drang an die Ohren des Supervampirs.
»Du hast deinen Kopf noch«, sagte eine Stimme. »Ich weiß.«
»Und das hast du mir zu verdanken.«
Mallmann, der bisher gelegen hatte, richtete sich auf. Wo er sich befand, wusste er nicht. Es gab auch nur wenig Licht, das ein paar Kerzen verstreuten.
Aus dem Hintergrund trat jemand hervor, auf dessen Gesicht und blankem Kopf das Licht so etwas wie ein zitterndes Muster legte.
Vor Mallmann blieb er stehen.
»Saladin«, flüsterte der Vampir.
»Wer sonst, Blutsauger? Wer sonst hätte dich noch vor der Schwertklinge retten können?«
Mallmann nickte. »Er hätte es also getan«, sagte er nach einer Weile. »Er hätte mich geköpft.«
»Klar. Was hätte er sonst tun sollen? Seine Freundin Collins zu einer Blutsaugerin werden lassen? Die Cavallo wollte doch, dass du deinen Kopf verlierst.«
»Danke, dass du mich daran erinnerst. Jetzt weiß ich, wo sie steht. Sie ist meine Feindin, und so werde ich sie das nächste Mal auch behandeln. Und was die Vampirwelt betrifft – so leicht geben ich sie nicht auf. Ich mache weiter.«
»Nein, nicht du allein. Ich bin dabei. Du bist mir ab jetzt etwas schuldig, Mallmann.«
Saladin streckte dem Blutsauger die Hand entgegen, und Dracula II zögerte keinen Augenblick.
Er schlug ein.
»Und damit ist der Pakt zwischen uns geschlossen!«, erklärte Saladin, der sehr zufrieden war…
ENDE
[1] Siehe John Sinclair Nr. 1389 »Meine grausame Partnerin«
[2] Siehe John Sinclair Nr. 1398 »Tänzer, Tod und Teufel«
[3] Siehe John Sinclair Nr. 1397 »Der Vampir und die Wölfe«
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