14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
bewegen, nach kurzer Rast wenigstens eines der kleinen, malerisch unter uns liegenden Dörfchen noch zu erreichen, wozu ihn aber auch nur ein Bakschisch bewegen konnte. Als wir dort anlangten, erfuhren wir, daß ein grauer Engländer durchgekommen sei, der sich mit dem Dragoman gezankt habe, und kurze Zeit später ritt ein Mann durch das Dorf, den ich sofort ansprach. Es war der Führer Lindsays; er kehrte nach Schijit zurück und erzählte, daß er gar nicht mit nach Baalbek gekommen, sondern im letzten Dorf verabschiedet und abgelohnt worden sei.
Seiner Meinung nach sei eine Art von Zwiespalt zwischen dem Inglis und seinem Dragoman eingetreten, und der Inglis sei ein sehr vorsichtiger Mann, welcher die Hände immer an seinen kleinen Pistolen liegen habe, die zwar nur einen Lauf besäßen, aus denen man aber öfters schießen könne, ohne zu laden.
Die Besorgnis um meinen alten Master Lindsay drängte sich mir immer mehr auf während der Nacht.
Ich hatte keine Ruhe, mich floh der Schlaf. Und als sich das erste Licht des Morgens zeigte, weckte ich die Begleiter und mahnte zum Aufbruch, eine Weisung, welcher sie sich nur nach einem abermaligen Bakschisch fügten. Überhaupt schien es mir, las ob die Khawassen die Absicht hegten, Jacub nur nach dem Maßstab seiner Freigebigkeit behilflich zu sein; ich machte ihn darauf aufmerksam und bat ihn, diesen Leuten zu zeigen, daß sie wohl ihn zu unterstützen, nicht aber seine Kasse auszubeuten hätten.
Wir passierten zunächst einige kleine Dörfchen, und als sich die Vorhöhen des Antilibanon, hinter denen wir ritten und welche uns immer wieder die Aussicht verdeckten, endlich öffneten, sahen wir das berühmte Tal von Baalbek vor uns liegen. Die großartigen Massen dieser Ruinen nahmen einen weiten Flächenraum ein, und es gibt wohl kaum eine zweite Ruinenstadt, deren Überreste einen so gewaltigen Eindruck machen, wie diese Mauer- und Gebäudereste.
Gleich beim Eintritt in das Trümmerfeld erblickten wir seitwärts einen Steinbruch, in welchem ein Kalksteinblock von riesenhafter Größe lag. Er hatte gegen dreißig Ellen Länge, sieben Ellen Breite und eine gleiche Dicke. Solche Blöcke bildeten das Material zu den Riesenbauten von Baalbek. Ein einziger von ihnen hat ein Gewicht von sicher dreißigtausend Zentnern. Wie konnten bei der Art der damaligen mechanischen und technischen Hilfsmittel solche Massen dirigiert und bewältigt werden? Das ist ein Rätsel.
Die hiesigen Tempelbauten waren einst dem Baal oder Moloch geweiht; diejenigen, deren Überreste heut noch vorhanden sind, haben ohne allen Zweifel einen römischen Ursprung. Man weiß ja, daß Antonius Pius dem Sonnengott Zeus hier einen Tempel errichtet habe, der ein Weltwunder gewesen sei. Es scheint, als seien in dem größeren der beiden Tempel die syrischen Götter, in dem kleineren aber nur Baal-Jupiter verehrt worden.
Um diese Tempel zu errichten, baute man zunächst ein Fundament, welches um fünfzehn Ellen die Erde überragte; darauf kamen drei Schichten jener Riesenblöcke, deren Gewicht soeben angegeben wurde, und dann erst auf ihnen ruhten die kolossalen Säulen, welche die mächtigen Architrave trugen. Die sechs übrig gebliebenen Säulen des einstigen Sonnentempels haben eine Höhe von siebzig Fuß und am Piedestal einen Durchmesser von sechs Fuß. Der kleine Tempel war achthundert Fuß lang und vierhundert Fuß breit und zählte vierzig Säulen.
Auch die Stadt Baalbek an und für sich war im Altertum bedeutend, da sie auf dem Weg von Palmyra nach Sidon lag. Abu Abeïda, der gegen die Christen von Damaskus so menschlich gesinnte Mitkämpe Chalids, eroberte auch Baalbek. Man machte aus der Akropolis eine Zitadelle und aus dem Material der zerstörten Tempel errichtete man Befestigungsmauern. Später kamen die Mongolen, dann die Tartaren, und was diese übrig ließen, wurde im Jahre 1170 durch ein Erdbeben verwüstet. Was noch vorhanden ist, gewährt eine sehr schwache Idee von der einstigen Pracht und Herrlichkeit.
Jetzt liegt auf der Stätte der alten Sonnenstadt ein elendes Dorf, welches von fanatischen und diebischen Mutawileh-Arabern bewohnt wird, und die Soldaten der Garnison, die hier liegt, tragen bestenfalls nur dazu bei, die Gegend noch unsicherer zu machen.
Ich setzte das Fernrohr an das Auge und überblickte die weite Stätte. Kein Mensch war zu sehen. Wie ich später hörte, waren die Soldaten der Garnison aus eigener Machtvollkommenheit auf beliebige Zeit auf Urlaub gegangen, und
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