14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
nach Edreneh begleiten, und zwar nach dem Haus, in welches ihr mich gestern abend gelockt habt. Ich bin doch neugierig, zu erfahren, wer da wohnt. Natürlich geht der Kadi mit.“
„Effendi, das wirst du nicht tun! Ich habe vernommen, daß du ein Christ bist, und daß Isa Ben Marryam, euer Heiland, euch geboten hat: Liebet eure Feinde!“
„So gibst du also zu, mein Feind zu sein?“
„Ich war nicht der deinige, sondern du warst der meinige geworden. Ich hoffe, daß du ein guter Christ bist und dem Gebot deines Gottes Gehorsam leistest!“
„Das werde ich gern tun!“
„Nun, warum läßt du mich denn da nicht frei, Effendi?“
„Eben weil ich dem Gebot gehorsam bin, Ali Manach. Ich liebe dich so sehr, daß ich gar nicht von dir lassen kann!“
„Du spottest meiner! Ich zahle dir ein Lösegeld!“
„Bist du reich?“
„Ich nicht, aber mein Vater wird es bald sein.“
„Er wird seinen Reichtum gestohlen und geraubt haben. Solches Geld möchte ich gar nicht berühren!“
„So gebe ich dir anderes. Du sollst das deinige zurückerhalten!“
„Das meinige? Hast du Geld von mir?“
„Nein; aber der Bote ist bereits fort, um in Stambul das Geld zu holen, welches du uns für deine Freiheit bezahlen solltest. Läßt du mich frei, so erhältst du es zurück, sobald er es bringt.“
„Oh, Ali Manach Ben Barud el Amasat, du hast dir in Stambul den Verstand vertanzt! Euer Bote wird nicht einen einzigen Piaster erhalten. Den Mann, welchen ich euch nannte, gibt es gar nicht. Und der Perser, den der Bote vielleicht aufsucht, kennt mich gar nicht!“
„Effendi, so hast du uns getäuscht? Wir hätten also kein Geld empfangen?“
„Nein.“
„So wärst du ja verloren gewesen!“
„Das wußte ich. Ich wäre aber wohl auch verloren gewesen, wenn man das Geld bezahlt hätte. Übrigens habe ich mich nicht gar sehr von euch gefürchtet, und daß ich daran recht tat, habe ich dir bewiesen: – ich bin frei.“
„So willst du mich also wirklich als Gefangener nach Edreneh bringen?“
„Ja.“
„So gib mir das Geld zurück, welches ich in deinen Beutel getan habe!“
„Warum?“
„Es gehört mir. Ich brauche es. Ich muß essen und trinken, auch wenn ich im Gefängnis bin.“
„Man muß dir geben, was du brauchst; Leckereien werden es allerdings nicht sein. Übrigens schadet es einem Tanzenden nichts, wenn er einmal ein wenig hungert!“
„So willst du mich also bestehlen?“
„Nein. Siehe mich an! Ihr habt mir während meiner Gegenwehr die Kleider zerrissen; ich muß mir andere kaufen. Du bist schuld daran, und so kann ich, ohne einen Diebstahl zu begehen, mich deines Geldes bemächtigen. Aber ich werde es dennoch nicht tun, sondern es dem Kadi übergeben. Darf denn ein Tanzender Geld besitzen? Ich denke, daß alles, was er einnimmt, dem Orden gehört!“
„Ich bin kein Tanzender mehr. Ich war nur für kurze Zeit im Kloster!“
„Jedenfalls aus Geschäftsrücksichten! Nun, das geht mich nichts an. Wir wollen aufbrechen. Gib deine Hände her!“
Ich zog bei diesen Worten eine Leine hervor, welche ich vorhin in der Satteltasche bemerkt hatte.
„Effendi, was willst du tun?“ fragte er erschrocken.
„Ich werde dich mit den Händen an den Steigbügel binden.“
„Das darfst du nicht! Du bist ein Christ, und ich bin ein Anhänger des Propheten. Du bist kein Khawasse. Du hast kein Recht, einen anderen als Gefangenen zu behandeln!“
„Weigere dich nicht, Ali Manach! Hier ist der Strick. Gibst du nicht augenblicklich die Hände her, so schlage ich dich an den Kopf, daß du wieder ohnmächtig wirst. Ich erlaube dir keineswegs, mir vorzuschreiben, wie ich dich zu behandeln habe!“ Das wirkte. Dieser Pseudoderwisch schien überhaupt ganz ohne Mut und Energie zu sein. Er hielt mir die beiden Hände hin, welche ich ihm zusammenband. Dann befestigte ich ihn an den Steigbügel und stieg aufs Pferd.
„Was wirst du mit dem Pferd tun?“ fragte er.
„Ich übergebe es dem Kadi. Vorwärts!“
Wir setzten uns in Bewegung. Ich hätte nicht geglaubt, so bald wieder nach Edreneh zurückkehren zu können, und noch dazu auf diese Art und Weise.
Wir erreichten bald die Hauptstraße. Es war diejenige, welche nach dem berühmten Karawanserei Mustafa Pascha führt. Wir begegneten vielen Reisenden. Man betrachtete uns erstaunt; man wunderte sich über uns beide; aber niemand hielt es der Mühe wert, ein Wort zu uns zu sprechen.
Je mehr wir uns der Stadt näherten, desto belebter wurde die Straße.
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