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14 - Roman

14 - Roman

Titel: 14 - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sogar lächelte – wenn auch nur mit dem linken Mundwinkel, als würde der rechte sich mit dem Arm solidarisch erklären –, als er wieder selbstständig bei sich zu Hause leben konnte, fragten Blanche und ihre Eltern sich, was man wohl mit ihm anfangen konnte.
    Freilich würde die Armee ihm eine Pension zahlen, aber man konnte sich nicht vorstellen, dass er untätig blieb, er musste beschäftigt werden. In der Annahme, seine Verstümmelung würde ihm verwehren, die Funktionen eines Buchhalters weiterhin mit derselben Geschicklichkeit auszuüben, hatte Eugène Borne eine Idee, um ihn zu zerstreuen. Während er darauf wartete, dass Eugène ihm seinen Platz überließ, hatte Charles vor den Ereignissen die Vizedirektion der Fabrik innegehabt, dann hatte sein jäher Tod die Nachfolgefrage unbeantwortet gelassen. Eugène schob sie weiter auf und hatte eine Art Unternehmensregierung eingerichtet, einen Aufsichtsrat, dessen Vorsitz er innehatte und der es ihm ersparte, allein Entscheidungen treffen und vor allem die Verantwortung tragen zu müssen. Eugène berief also Anthime seinem heldenhaften Bruder zu Ehren und als Dank für geleistete Dienste zu den wöchentlichen Treffen dieses Direktionskollegiums, dem schon Monteil, Blanche und Madame Prochasson angehörten, und versüßte ihm die Teilnahme mit Sitzungsgeldern. Diese Aufgabe gab Anthimes Leben einige Struktur, ohne ihm Zwang aufzuerlegen, er hatte nicht viel zu tun, aber immerhin: Sitzungen abhalten, seine Meinung sagen – ohne mehr dazu gehalten zu sein, eine zu haben, als die anderen es waren, auf ihn zu hören –, abstimmen und Papiere unterschreiben, die er nicht unbedingt zuvor gelesen hatte, etwas, was mit der Linken zu tun er bald gelernt hatte. Hierbei schien es beinahe, als würden alle sich wegen seiner Invalidität mehr Sorgen machen als er selbst, denn er erwähnte das Fehlen seines rechten Armes nie.
    Dass er nicht darüber redete, lag vor allem daran, dass es ihm fast allzu schnell gelang, ihn aus seinen Gedanken zu vertreiben – außer jeden Morgen, wenn er ihn beim Aufwachen suchte, aber auch nicht länger als einen kleinen Moment. An sein Dasein als notgedrungener Linkshänder gewöhnte er sich ohne Umstände: Nachdem er sich erfolgreich gezwungen hatte, mit der verbliebenen Hand zu schreiben – und wo er schon mal dabei war, auch zu zeichnen, und zwar immer häufiger, was er mit der Rechten nie getan hatte –, verzichtete er ohne Bedauern auf die eine oder andere Tätigkeit, die ihm nicht mehr zugänglich war, wie eine Banane zu schälen oder sich die Schuhe zu binden. Was Bananen anging, die gerade jüngst auf den Markt gekommen waren, mochte Anthime sie nicht besonders, und so ersetzte er sie leichten Herzens durch viele andere Obstsorten mit essbarer Haut. Und was Schuhe anging, konnte er sich ebenso unschwer einen Prototyp zu seinem persönlichen Gebrauch entwerfen und dann in der Fabrik fertigen lassen, mithin zunächst als Einzelmodell – bis im Frieden, als die Männer leichteres Schuhwerk haben wollten, dieses dann in Serie produzierte Modell einen gewissen Verkaufserfolg unter dem Namen Mocassin Pertinax erleben sollte.
    Auch war Anthime gezwungen, wenn er nachdachte, wartete, Haltung bewahren oder seine Anteilnahme zeigen wollte, auf klassische Körperpositionen – wie die Arme verschränken oder die Hände im Rücken zusammenlegen – zu verzichten. Er deutete sie dennoch zunächst instinktiv weiterhin an und erinnerte sich erst im allerletzten Moment, dass er da die Rechnung ohne den Wirt machte. Doch als er sein Dasein als Einarmiger einmal akzeptiert hatte, kapitulierte Anthime erst recht nicht, sondern nutzte den leeren rechten Ärmel wie einen imaginären Arm, rollte ihn vor der Brust um den linken oder ergriff ihn hinterm Rücken an der Manschette und hielt sich daran fest. Doch obwohl er es akzeptiert hatte: Wenn er sich morgens beim Aufwachen automatisch streckte, streckte er im Geiste dabei auch die verschwundene Gliedmaße – was eine diskrete Bewegung der rechten Schulter bezeugte. Wenn er dann ein Auge aufgemacht und festgestellt hatte, dass er an dem Tag nicht viel zu tun hatte, schlief er nicht selten noch mal für ein Weilchen ein, nachdem er eventuell masturbiert hatte – was auch mit links schnell getan war.
    Es herrschte also häufig Müßiggang, und um ihm möglichst zu begegnen, übte Anthime, mit einer Hand seine Zeitung umzublättern und sogar Karten auszuspielen, bevor er sich an eine Patience wagte.

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