140 - Zombies auf der Reeperbahn

dem Kopf, im Gesicht mit einer aus gelber und roter Farbe
gemalten Zick-Zack-Linie. In der Rechten hielt der Fremde, der aussah wie ein
Medizinmann oder afrikanischer Zauberer, einen kurzen, mit allerlei Krimskrams
behangenen Stab . .. einen Fetisch.
    Larrys Hand zuckte zur Schulterhalfter.
    Er zog die Smith & Wesson Laser noch
heraus, doch danach war die Gestalt wie ein Spuk verschwunden
...
     
    *
     
    Blitzschnell trat X-RAY-3 zwei Schritte nach
vorn. Er befand sich damit genau an der Stelle, wo eben noch die seltsame
Erscheinung gestanden hatte.
    Larry Brent suchte mit seinen Blicken den
düsteren, schmutzigen Hinterhof ab. Da gab’s einen vergammelten Holzschuppen
und zwei Autowracks, die aufgebockt und bei denen die Reifen abmontiert waren.
    Hier bestanden genügend
Unterschlupfmöglichkeiten. Aber es wäre verlorene Zeit gewesen, die Jacken und
Winkel zu durchstöbern. Die Gestalt war nicht zur Seite getreten, sondern hatte
sich lautlos aufgelöst.
    Charles Henniet war vom Geist eines
afrikanischen Zauberers heimgesucht worden.
    Vielleicht lag darin der Schlüssel zum
Geheimnis der Lycanthropie.
    Larry wandte sich dem noch immer reglos am
Boden Liegenden zu.
    Der Fellbesatz auf dem Kopf und im Nacken war
nicht mehr vorhanden. Helle, glatte Haut und das weiße Haar des Engländers
zeigten sich wieder.
    Auch die scharfen Raubtierpranken waren
verschwunden. Charles Henniet war wieder menschlich.
    , Aber es war noch mehr mit ihm, und Larrys
Herzschlag stockte, als er es bemerkte.
    »Verdammt, Edward !« stieß er hervor, ging in die Hocke, und der Chief-Inspektor, der einige Jahre
älter war als er, folgte. Auch seine Miene versteinerte.
    Zwischen Henniets Schultern sickerte Blut
hervor.
    Eine tiefe Stichwunde klaffte in seinem
Körper. Sie reichte bis zu seiner Brust.
    Charles Henniet lebte nicht mehr.
    Jetzt wußte er auch, weshalb der Schwarze
gekommen war.
    Er hatte den Briten mit einer Lanze oder
einem Speer durchbohrt, um eine Befragung Henniets zu
verhindern.
     
    *
     
    »Das«, murmelte X-RAY-3, als sie den leblosen
Körper ins Polizeiauto trugen, »kann erst mal das >Aus< für alle unsere
Bemühungen bedeuten .«
    Noch immer standen viele Neugierige herum.
Die vier Uniformierten drängten die Menschen zurück.
    Larry hatte Henniets Leiche absichtlich nicht
zudecken lassen, um nicht noch mehr Unruhe in die Reihen der Neugierigen zu
tragen. Wenn die merkten, was wirklich geschehen war, würden sich die Beamten
vor Beschimpfungen und möglicherweise auch handgreiflichen Auseinandersetzungen
nicht mehr retten können.
    Schweigend saß Larry Brent neben Higgins, und
seine Gedanken kreisten wie ein Karussell.
    Er mußte Gloria Henniet die Todesnachricht
überbringen. Das würde heute nacht noch das Schlimmste für ihn sein.
    Er versuchte in Charles Henniets Verhalten
eine Erklärung für den Vorfall zu finden.
    War der Mann einem stillen, geheimnisvollen
Ruf gefolgt? Hatte sein Mörder ihn absichtlich in diese abgelegene Gegend
gelockt - oder war alles nur ein dummer Zufall, weil Henniets >wahre<
Natur von einem Außenstehenden erkannt worden war?
    Schon auf dem Weg ins Leichenschauhaus,
Henniets letzter Station, war Larry klar, daß umfangreiche Nachforschungen in
Gang gesetzt werden mußten. Auf die Nachrichten-Abteilung der PSA wartete eine
Riesenarbeit.
    Die Stationen des Engländers in Afrika mußten
systematisch untersucht werden. Mit wem war er zusammengetroffen? Wußten seine
Gesprächspartner drüben vielleicht doch etwas über seine Pläne, sich einfach
einige Tage abzusetzen? Hatte Henniet in Afrika möglicherweise auf der Suche
nach Antiquitäten und Kunstgegenständen ein Tabu übertreten, das den Zorn eines
Geheimbundes weckte?
    In Afrika war vor Monaten etwas passiert, was
in diesen Tagen nun hier im kühlen, nebligen London seinen Abschluß fand.
    Der >Fall< Charles Henniet, der als
Mensch einen fernen Kontinent aufsuchte und verwandelt als Lycanthrop
zurückkam, war noch voller Rätsel und Unwägbarkeiten und längst nicht
abgeschlossen.
    Doch trotz allem Nachdenken kam Larry Brent
in dieser Stunde und auch in den nächsten Tagen nicht weiter.
    Obwohl er sämtliche Tagebücher und Notizen
Henniets aufs genaueste überprüfte, fand er nicht den kleinsten Hinweis auf
eine Besonderheit, die gelohnt hätte, ihr nachzugehen.
    Es stand fest, daß Charles Henniet in den vergangenen Wochen mindestens in vier Fällen
einsame Spaziergängerinnen im Hyde Park angefallen hatte. Zwei hatten
rechtzeitig